- 434 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (433)Nächste Seite (435) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



Rundfunk fällt ein höchst wichtiges Moment fort, das aller früheren Kunstentwicklung eigentümlich war: das des zeitlichen Weiterwirkens. Die durch Technik verbreitete Produktion ist in viel höherem Maße wie jede andere auf den augenblicklichen Erfolg eingestellt. Hier hat keine Oper, kein Musikwerk, kein Theaterstück Aussicht, nach anfänglicher Ablehnung sich allmählich bei einer späteren Generation durchzusetzen: der Augenblickserfolg ist entscheidend, und es hat sich schon jetzt deutlich genug gezeigt, daß hier ebenfalls eine der großen Gefahren der Technisierung liegt. Und diese Feststellung führt uns nun wieder auf das oben gekennzeichnete Problem der Organisation zurück. Denn hieraus folgt als doppelt dringend die Aufgabe, daß die die einzelnen Institutionen leitenden Persönlichkeiten das, was sie als wertvoll erkannten, unter allen Umständen auch durchhalten und es nicht untergehen lassen, auch wenn es momentan auf Widerstand stößt. Auch daran erkennt man wieder, wie in die Hand der Personen, welche die akkumulierte Macht der technisierten Institutionen leiten, eine ungeheure Verantwortung gegeben ist, eine Verantwortung, die man keineswegs zu hoch bezeichnet, als eine: für die Zukunft der Kultur.


Und da gerade von Gefahren die Rede ist, so mag an dieser Stelle kurz ein Moment gestreift werden, das vielfach irrtümlich als Gefahrenmoment empfunden wird: es wird zu häufig mit dem Begriff der Technisierung dasjenige der “Mechanisierung” verbunden. So spricht man durchaus fälschlicherweise von “mechanischer Musik” und meint damit nicht eine wirklich mechanische Musikerzeugung oder Musikwiedergabe, wie die zum Beispiel durch das Pianola, sondern die technische Klangvervielfältigung. Und mit dieser irrtümlichen Begriffssetzung ist nun weiter die Vorstellung einer Gefahr vorhanden, die in Wahrheit gar nicht vorhanden ist, nämlich: als ob das menschlich Seelenhafte hier von einer Kraft des kaltnüchternen Maschinellen bedrängt werde. Wohin man sich auch wendet, ob zum Tonfilm, Rundfunk, Schallplatte, elektrischer Musikerzeugung oder zum Fernsehen — nirgends ist etwas Ähnliches zu erblicken. Überall handelt es sich nur darum, daß von Menschen geschaffene Leistungen auf technische Weise verbreitet werden, ohne daß ihre Substanz dadurch auch nur im geringsten angetastet ist. Ja, dies ist ja gerade das Ziel der Technik: die möglichst unverletzte Darstellung dieser von Menschen ausgehenden und auf Menschen zustrebenden Wirkungen. Da ist nichts


Erste Seite (1) Vorherige Seite (433)Nächste Seite (435) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 434 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik