- 41 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Cassirer: Form und Technik


nicht mehr an dem, was es bewirkt und was es zuletzt erreicht, bemessen, sondern es ist die reine Form des Tuns, es ist die Art und Richtung der gestaltenden Kräfte als solcher, wonach sich dieser Sinn bestimmt.


III


Je deutlicher in den vorangehenden Betrachtungen die unentbehrliche Mitwirkung des technischen Schaffens an der Eroberung, Sicherung und Festigung der Welt der “objektiven” Anschauung geworden ist, um so schärfer erhebt sich indes jetzt für uns ein Bedenken, das den Wert dieser Leistung nicht nur problematisch zu machen droht, sondern das ihn geradezu in sein Gegenteil zu verkehren scheint. Ist das, was hier als die eigentliche Leistung der Technik angesehen wurde, nicht vielmehr das Grundübel, an dem sie krankt? Ist die Erschließung der Objektwelt nicht zugleich und notwendig die Entfremdung des Menschen gegenüber seinem eigenen Wesen, gegenüber dem, was er ursprünglich ist und als was er sich ursprünglich fühlt? Der erste Schritt in jene Sachwelt, die die technische Arbeit für ihn erschließt und aufbaut, scheint den Menschen auch dem Gesetz, dem harten Muß der bloßen Sachen für immer zu unterwerfen. Und ist nicht dieses Muß der stärkste Feind der inneren Fülle, die in seinem Ich, in seinem seelischen Sein beschlossen ist? Alle Technik ist ein Geschöpf des Geistes – jenes Geistes, der seine Herrschaft nur dadurch begründen kann, daß er alle Kräfte neben sich bezwingt und daß er sie despotisch niederhält. Er muß, um zu herrschen, das freie Reich der Seele nicht nur beengen, sondern er muß es leugnen und zerstören. In diesem Widerstreit ist kein Kompromiß möglich: der Geist, dessen Ziel und dessen Macht in der Technik hervortritt, ist der unversöhnliche Widersacher der Seele. Und wie er den Menschen seinem eigenen Lebenszentrum fortschreitend entfremdet, so gilt das gleiche für sein Verhältnis zur gesamten Natur, sofern diese nicht in einem durch die Technik schon entstellten Sinne genommen wird - sofern sie nicht als ein bloßer Mechanismus unter allgemeinen Gesetzen gedacht, sondern in ihrer organischen Besonderheit und in ihrer organischen Lebensfülle gefühlt wird. Je mehr im Umkreis der modernen Kultur die Macht der Technik heranwuchs, um so leidenschaftlicher und unerbittlicher hat die


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