- 403 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (402)Nächste Seite (404) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



und der auf ihn verwandten Mühe wert, sondern der Gewinn, den man aus seinem Vertrieb ziehen konnte, schien das einzig Erstrebenswerte.


Da der Gewinn in barer Münze erwünschter war als die Qualität der eigenen Produktion, zog man die entsprechende Konsequenz: man produzierte nicht mehr selbst, sondern ließ andere produzieren. Um riesenhafte Gewinne zu erzielen, mußte entsprechend viel Ware hergestellt werden. Eine Massenfabrikation wurde am sichersten und rentabelsten nicht durch Menschenkraft, sondern durch Maschinen erzielt.


Also baute man Fabriken, trennte den Produzierenden von den Produktionsmitteln und schuf somit das Proletariat.


Nun hätte die Annahme naheliegen können, die endlich erreichte reale Macht bedeutete zugleich ein Ende der bisherigen bürgerlichen Geistesform, der Romantik.


Dieser Umstand trat jedoch nicht ein, vielmehr war eine neue Phase der Romantik zu konstatieren.


Die bürgerliche Kunst stand jetzt im Zeichen der Repräsentation. Die Neuromantik donnerte die Miniatursehnsüchte des Bürgertums ins Großartige auf.


Das Gesicht der Stadt hatte sich verändert, sie war nicht mehr Ausdruck einer Lebensform, sondern durch den Zuzug der Massen, die von den Kapitalisten für ihre Fabriken gebraucht wurden, verwandelte sich die Stadt zur Arbeitsstätte.


Ein Querschnitt durch die soziologische Struktur ergab jetzt folgendes Bild:


Unten: das Proletariat.


In der Mitte: das Bürgertum.


Oben, als Ausdruck eines Wunschtraumes zärtlich gepflegt: die feudale Kaste.


Schnell befand sich das Proletariat in derselben Situation wie zuvor das Bürgertum. Auch der vierte Stand fand – gehemmt in seinen vitalsten Trieben – den Ausweg, den schon vor ihm das Bürgertum eingeschlagen hatte: es träumte sich, um die Realität überzukompensieren, in eine imaginäre Welt hinüber.


Und hier erzeigt sich eine grauenvolle Diskrepanz.


Während das Bürgertum immerhin noch seine Lebensbedingungen bis zu einem gewissen Grade garantiert sah, während die ihm übergeordnete feudale Klasse seine wirtschaftliche Expansion wenigstens


Erste Seite (1) Vorherige Seite (402)Nächste Seite (404) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 403 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik