- 392 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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abgekommen. Denn unser Ausgang war, daß das Tonbildproblem nicht mehr ein Problem der bisherigen Musik, sondern der kommenden Musik ist. Ferner scheint uns hier wesentlicher zu sein, statt aller Regieanweisungen die Lage des Problems selbst zu bestimmen. Das Thema könnte auch “Musik und Technik“ heißen. Und der Tonfilm bezeichnete nur den Ort, wo diese Beziehung aktuelle Wirklichkeit ist. Es ist nur zu typisch - für die gesamte geistige Haltung von heute, daß diese Beziehung dort schöpferisch gedacht wird, wo der Ansatz eigentlich fehlt, beim Rundfunk. Seitdem die Sendegesellschaften Kompositionsaufträge ausgeben, haben wir das Problem Rundfunkmusik. Der Rundfunk ist aber nur Transportmittel, ganz abgesehen davon, daß die Ideologie Rundfunkmusik sowohl in ihrem technischen als soziologischen Teil falsch ist. Der Tonfilm hat demgegenüber noch wenig Bekanntschaft gemacht - schon rein zahlenmäßig — mit der modernen Musik. Die Industrie steht solchen Versuchen skeptisch und ablehnend gegenüber. Andererseits, wo der Tonfilm mit der heutigen modernen Musik in Berührung kam, dürfte dadurch, daß man eine zeitgemäße und durchkomponierte Musik synchron zum Film abrollen läßt, das Problem nicht gelöst werden. Ebensowenig kommt man mit einer Geräuschmontage - wie zum Beispiel in dem Ruttmann-Film “Melodie der Welt”, wo Maschinengeräusche “stimmlich” abgestuft, in eine Tiefen- und Höhenbeziehung zueinander gebracht werden — weiter. Hier kündet sich vielleicht, ähnlich der filmischen Avantgarde, eine musikalische Avantgarde an, die sich in Tonüberblendungen, Tonmontagen und andern Tricks akustischer Art, äußerlich parallel zur Technik des Films, ergeht.1) Es wäre möglich, daß sie sich als nächste Etappe etablierte. Solchen Versuchen geben wir mit unsern Ausführungen keineswegs das Wort. Gewiß. Der technische Charakter der neuen Kunst, soweit ihr Material das Sichtbare und Hörbare ist, bedingt notwendig das Experiment.


Wie schon gesagt. Das Problem, das sich heute stellt, ist nicht mehr das der Techniken - wohl das einer geistig orientierten Technik. Allein von dem angestrebten Klang oder Bild aus erhalten die Versuche ihren Sinn. Was das bedeutet, haben wir ausgeführt. Was heute zu leisten sein wird, ist - weniger künstlerischer Natur als


1) Hierhin gehören die Musiken für Schallplatte von Toch und P. Hindemith (Neue Musik. Berlin 1930.)


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