- 387 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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einmal im Raume vorgenommene Einstellung hinaus jene Beweglichkeit und jenen Aktionsradius, die Voraussetzung sind, um einen Vergleich mit dem Leistungsvermögen des optischen Objektivs zu rechtfertigen. Raum und Perspektive lassen sich formen und zeitlich abwandeln. Der Einfachheit halber können wir die Möglichkeiten, die aus der Einschaltung verschiedener elektrischer Verfahren und regulierbarer Räume resultieren, in das akustische Objektiv selbst verlegen. Wir können uns die ganze Apparatur dann vorstellen als ein in sich selektiv abgestimmtes Kamerasystem, dessen einzelne Mikrophone sich über den Raum verstreuen, das ausgestattet ist mit der Möglichkeit, sich in sich umzuzentrieren und kontinuierlich neu zu kombinieren. Eine Beherrschung der Klangfarbe und des Raumes wird so ermöglicht wie nie zuvor. Der Kombinationszusammenschluß zu Klangfarben erfolgt absolut, der zu überrealistischen Klangräumen ist abhängig von einem Zentrum außerhalb, von dem umschließenden Raume und seinen Möglichkeiten. Da alle Tonphotographie natürlicherweise bildhafte Darstellung des Akustischen ist, das heißt raumtonale, bilden Klangfarbe und Raum in jedem Moment ein Ganzes. Wie schon gesagt, werden diese Möglichkeiten technischer Art wohl nur nacheinander zur Darstellung kommen, durch den klangchemischen Umwandlungsprozeß, weiterhin durch die Klangmontage.


Die instrumentale Technik des Tonfilms, der Musik überhaupt, ist heute vollkommener als unsere Phantasie. Die Tatsachen sind heute vor ihrer Idee da. Trotz ihrer theoretisch unbegrenzten Expansionskraft vermag die Technik keinen Raum zu bilden, solange ihr der Gegenpol fehlt. Ohne den geistigen Gegenspieler, der das Wesen des organischen Lebens ausmacht, bleibt sie Dynamik, Expansion in den leeren Raum, den sie so nie zu erfüllen vermag. Die Idee, wie die technischen Formmöglichkeiten anzuwenden sind, liefert in diesem Falle die “Musik”, nicht mehr die bisherige, sondern die kommende. Ziel der Gestaltung ist das übertonale Klangfarbenmelos — eine Gegenstandsordnung der kommenden Musik. Wir meinen hier damit, daß das Akustische nicht mehr als naturalistische Geräuschreizfolge zu behandeln und eine vorgeformte Musik nicht mehr regiemäßig auf die technischen Möglichkeiten hin abzuwandeln, sondern als Melodie zu gestalten ist, jedoch im Sinne einer gleichsam “filmischen”, mit dem gleichen Grade der Freiheit, den die Komposition des Sichtbaren beanSprucht, damit Bild und Ton zu einem kontrapunktischen Gefüge


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