- 385 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (384)Nächste Seite (386) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



Schallenergie für alle Tonfrequenzen und Tonstärken konstant bleibt. Ein Beispiel. Wenn ein Lautsprecher die tiefen Frequenzen schwächer überträgt als die hohen, so kann man die Verstärker so einrichten, daß sie die tiefen Frequenzen mehr verstärken als die hohen. Wir wollen damit nicht sagen, daß Verbesserungen dieser Art nicht notwendig sind, sondern nur, daß der Techniker einseitig orientiert ist. Zugleich liegt hier die Möglichkeit, die Teile der akustischen Kamera “selektiv” zueinander abzustimmen. Versuche in dieser Richtung scheinen uns für rein schöpferische Zwecke wichtiger zu sein.


Die Tonphotographie ist heute ausschließlich Aufnahme. Für die Gestaltung, welche versucht, über die Naturkopie hinaus die klingenden Wirklichkeiten deutend und formend abzubilden, macht die Aufnahme selbst nur den kleinsten Teil des Gestaltungsprozesses aus. Die Aufnahme stellt hier nur den gleichzeitigen Verlauf zwischen den hörbaren und sichtbaren Vorgängen fest, die Übereinstimmung von akustischer und optischer Artikulation und Perspektive, wobei die akustische Perspektive bis zu einer gewissen Grenze unabhängig von der optischen sein kann. Die Aufnahme liefert ein Stück Material, das erst - sagen wir — durch einen klangchemischen Umwandlungsprozeß in klingende Formtypen, Klangtropen, abgewandelt wird, vergleichbar etwa mit den Tönen selbst, in deren vorgeformtes Dasein erst die Melodie hineinkomponiert werden kann, die weiterhin im Raume zusammengefügt werden (Montage) und so ihren letzten Formausdruck erhalten, in der Gestalt des übertonalen Klangfarbenmelos. Der Umwandlungsprozeß besteht in der Hauptsache aus Aufnahmen selektiver Art, aus Übertragungs-, Dynamisierungs-, Überlagerungs-, und das Frequenzbereich regulierenden Vorgängen. Hier erhält die Anwendung der elektrischen Tonerzeugung einen produktiven, nicht wie bisher, reproduktiven Sinn.1) Das heißt, die Tastatur wird ihr genommen. Da uns hier das Besondere, das die so erweiterte Tonkamera zu leisten vermag, interessiert, also das, was mit einer körpergebundenen Tonerzeugung und einer rein reproduktiven Aufnahmetechnik nicht vollbracht werden kann, können wir die technischen Einzelheiten unberücksichtigt lassen. Ob der sogenannte klangchemische Umwandlungsprozeß schon voll und ganz bei der Aufnahme selbst seine Anwendung finden, oder nur teilweise eingeschaltet werden

__________

1) R. Beyer, Zur Frage der elektrischen Tonerzeugung. Ztschr. Die Musik, Heft 5, 1929.


Erste Seite (1) Vorherige Seite (384)Nächste Seite (386) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 385 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik