- 382 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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und Möglichkeiten mit. Es wird nicht notwendig sein, den Filmraum naturalistisch auszubauen, nach dem uns geläufigen Raumempfinden. Andererseits besitzt der Ton in der raumtonalen Darstellung die Fähigkeit zu einer überrealistischen Raumkomposition, dadurch, daß sich die akustische Perspektive bewußt gestalten läßt. Schließlich stimmen wir mit der weiter oben ausgesprochenen These, die an Stelle der flächenhaften Bildverbindung die räumliche fordert, hier vollkommen überein. Das Wunder, das die moderne Technik schafft: sie gibt das Bild als Fläche und Bühne, als Graphik und Plastik zugleich, ebenso wie sie den Klang wirklichkeitsnahe und wirklichkeitsfern zugleich in unsern Raum stellt. Wesentlich ist: in der Wirklichkeitsnähe liegt immanent die Möglichkeit, sie zu überwinden — die Wirklichkeitsferne. Auf Grund einer Unabhängigkeit von den natürlichen Bedingungen, wie sie den handwerklich produzierenden Künsten nicht zukommt. Die künstlerische Aktivierung der Ausdrucksmittel gibt den Ausschlag. Wie man die Stimme, den sichtbaren Menschen in den technischen Apparat hineinbezieht, entscheidet hier. Jene Art der Aufnahme, die den Raum nicht mit überträgt, eignet sich für die Wiedergabe einer synchronisierten, nicht sichtbar artikulierten Begleitmusik. In diesem Falle ist es sinngemäß, die Illusion der leibhaftigen Gegenwart des Klanges zu rekonstruieren. Der photographierten Begleitmusik kommt eine ästhetische Berechtigung nicht zu, nur eine ökonomische. Der Sinn der Tonphotographie liegt nicht in der Wiederherstellung der Originalität und Natürlichkeit einer klingenden Situation, sondern, wie das Wort “Tonphotographie” selbst schon ansagt, in ihrer bildhaften Darstellung. Die Begleitmusik aber läuft vor dem Bilde ab, nicht in ihm. Es sei, daß man sie in der Form von “klingenden Wänden” in den Bildraum einbaut.


Der Raum beeinflußt den Klang tonal. Es ist eine bekannte Tatsache, daß dasselbe Wort von demselben Menschen in derselben Lautstärke vorgetragen, anders klingt, je nachdem ob es in einem Zimmer, in einer Kirche, im Freien oder irgendwo sonst gesprochen wird. Der Raum modifiziert die Klangfarbe des primären Klanges. Er wirkt verändernd auf die Anzahl der Teiltöne wie ihr Stärkeverhältnis ein. Die Klangfarbe ist kein Absolutum, ebensowenig die Klangtreue. Auch der völlig abgedämpfte Raum ist ein Raum, wenn auch akustisch ein “toter” Raum. Da hier nur die primären Schallwellen Verwendung finden, wird einzig und allein die Schallquelle an den Ort des Empfängers


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