- 381 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (380)Nächste Seite (382) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



problematisch, das, was man Bildzugehörigkeit nennt. Besonders dann, wenn die Artikulation, wie bei vielen Geräuscharten, nicht eindeutig sichtbar ist. Der Ton scheint dann über oder unter dem Bilde zu liegen, jedoch nicht aus dem Bilde zu kommen. Erst durch das mitklingende räumliche Bezugssystem wird der Unterschied “eindeutig” vorgegeben zwischen einem “piano” oder “forte” der Stimme im dynamischen Sinne und zwischen einem “piano” oder “forte“ der Stimme im Sinne einer räumlichen Veränderung der Einstellung, im Sinne einer Annäherung an das Mikrophon oder Entfernung von dem Mikrophon. Erst durch das mitklingende räumliche Bezugssystem wird der Zusammenhang des Klanges mit seiner sichtbaren Fixierung in den zweidimensionalen Räumen wie die Gestaltung einer sich im Raume bewegenden Stimme garantiert. Mit andern Worten: Wenn wir am Wiedergabeapparat die verschiedenen Verstärkerstufen einschalten, so verstärken wir nicht mehr den Klang im dynamischen Sinne, sondern wir projizieren ein vergrößertes oder verkleinertes Klang-Bild in unsern Raum. Bei der Aufnahme dient die Einschaltung der verschiedenen Verstärkerstufen der Regulierung der Tiefenschärfe.


Wir können sagen, der Klang ist “sichtbar” geworden. Wir hören, daß er räumlich hier und dort fixiert ist, aus dieser oder jener Richtung kommt, sich von hier nach dort bewegt. Abgrenzung und räumliche Fixierung geben ihm Perspektive, Plastik, räumliche Gegenständlichkeit, Richtung und “Ansicht” mit. Man könnte im Hinblick auf den Film sagen, die sichtbare Ergänzung durch das Filmbild wird von dem räumlichen Klange gewissermaßen schon vorweggenommen. Es wird möglich, den Klang an sich schon mit einer solchen Aktivität zum Sichtbaren hin zu erfüllen, daß man die Schattenwesen des Films nachträglich nur einzusetzen braucht. Hier ungefähr liegt die Dynamik des Klanges im Tonfilm. Darin also, daß der Ton nicht untrennbar zum Bilde gehört, sondern von ihm getrennt werden, aus ihm heraus zu einem eigenen Leben erwachsen und zu einer besonderen Wirkung gesteigert werden kann.


Durch die raumtonale Darstellung des Akustischen gewinnt das Bild selbst an Tiefe. Die Leinwand als Fläche wird gesprengt. Das Bild wird plastisch. Um Mißverständnissen vorzubeugen. Damit wird aber nicht gesagt, daß die Filmkunst “ihren mühselig eroberten Platz wieder an den guten, alten Guckkasten” abtreten muß. Denn einerseits gibt die Technik dem Raume auf der weißen Wand ganz neue Dimensionen


Erste Seite (1) Vorherige Seite (380)Nächste Seite (382) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 381 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik