- 371 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Umwandlung der bisherigen künstlerischen Denk- und Vorstellungsweise in eine andere und neue. Denn die augenblicklich herrschende Vorstellung “Film“ genügt nicht, um seinen Ausdrucksmitteln einen neuen Sinn zu geben. Der Ton an sich steht nicht gegen diese Entwicklung. Er zwingt weit eindringlicher, da durch ihn die Unzulänglichkeit der bisherigen filmischen Gestaltungsweise enthüllt wird, die Lösung des Problems in Angriff zu nehmen.


Die neue Gestaltung, die “absolut” zu nennen ist, bedeutet eine Reinigung und Vereinfachung der Ausdrucksmittel im Sinne einer Verminderung der Mannigfaltigkeiten durch das Eindringen weniger Prinzipe formaler Art, vergleichbar etwa der Tonalität, die den Ablauf der Töne und ihre Beziehungen zueinander reguliert. Gegen eine solche Gestaltung muß sich die Szene, die Träger des Bildhaften ist, bisher absperren. Weil sie den Endausdruck in sich trägt, bietet sie der Umformung zu einem Material durch die künstlerisch selbständigen formalen Gestaltungsmöglichkeiten des Films Widerstand. Die filmischen Mittel geben so angewandt nur den Hintergrund, Untergrund, die Begleitung für etwas ab, das imstande ist, über sie zu erheben. Die organische Mitte ist zwar aus den sichtbaren Inhalten herausgenommen. Die Mittel, bisher abgeschlossen gegen übervisuelle Gegenstandsordnungen sind nicht stark genug, um die zerschnittenen Körper und Sichtbarkeiten zu einem neuen Körper, zu einer neuen Sichtbarkeit aufzubauen, um aus sich Sinnzusammenhänge hervorzubringen, indem sie diese Inhalte gestaltend ergreifen. Da das künstlerische Verfahren das Natürliche nicht entscheidend zu treffen vermag, verliert es sich in einen leeren Formalismus, der unter seiner Decke dem Natürlichen freien Spielraum gewährt. Mit andern Worten. Das Miterlebnis des Zuschauers hängt allein von den “Haupt- und Staatsaktionen” ab. Denn die filmischen Ausdrucksmittel werden nicht selbständig angewandt, wie die des Gemäldes zum Beispiel, dessen Wirkung nicht allein auf die Darbietung von “wildbewegten Schlachtenszenen” angewiesen ist, sondern gerade in wesentlich primitiveren Inhalten zum höchsten Ausdruck zu gelangen imstande ist.


Erst wenn die Einzelbilder in formaler Relation zueinanderstehen, belebend ineinander wirken, wie die Töne in einer Melodie, erst wenn die Bildverbindung sich voll und ganz auf das kommende Bild bezieht, Überleitung zu ihm ist, entsteht die visuelle Kontinuität, welche - im Gegensatz zur begrifflichen handlungsgemäßen, nur von außen


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