- 37 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Cassirer: Form und Technik


Grundformen der Weltauffassung ergibt sich, wenn man den Kausalbegriff in jener schärferen und strengeren Bedeutung nimmt, die Kant ihm in seiner Kritik der Humeschen Kausalitätslehre gegeben hat. Der Schwerpunkt dieser Kritik liegt in dem Nachweis, daß keineswegs die bloße gewohnheitsmäßige Verbindung, sondern der Gedanke der “notwendigen Verknüpfung” den Kern des Kausalbegriffs als einer Kategorie des “reinen Verstandes” ausmache. Und das Recht dieses Begriffs wird letzten Endes darin gesucht und dadurch erwiesen, daß ohne ihn die Beziehung unserer Vorstellungen auf einen Gegenstand nicht möglich wäre. Der Kausalbegriff gehört zu jenen Urformen der Synthesis, durch welche allein es möglich ist, den Vorstellungen einen Gegenstand zu geben: er ist als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung Bedingung der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung. Von einer solchen ins Objektive gewandten und das Reich der Objekte erst aufbauenden und ermöglichenden Kausalität weiß die mythisch-magische Welt noch nichts. Auch für sie löst sich das Ganze der Natur in ein Spiel von Kräften, in ein Ineinander von Wirkungen und Gegenwirkungen auf  –aber diese Kräfte sind wesentlich von der gleichen Art, wie sie der Mensch in seinen unmittelbaren Trieben erlebt und erfährt. Es sind persönliche, dämonisch-göttliche Mächte, die das Geschehen leiten und bestimmen, und deren Mitwirkung der Mensch sich vergewissern muß, wenn er selbst auf dieses Geschehen Einfluß gewinnen will. Das Werkzeug erst und sein regelmäßiger Gebrauch durchbricht prinzipiell die Schranke dieser Vorstellungsart. In ihm kündigt sich die Götterdämmerung der magisch-mythischen Welt an. Denn hier erst tritt der Gedanke der Kausalität aus der Begrenztheit der “inneren Erfahrung”, aus der Gebundenheit an das subjektive Willensgefühl heraus. Er wird zu einem Band, das rein gegenständliche Bestimmungen miteinander verknüpft und zwischen ihnen eine feste Regel der Abhängigkeit setzt. Das Werkzeug gehört nicht mehr, wie der Leib und seine Gliedmaßen, unmittelbar dem Menschen zu: es bedeutet ein von seinem unmittelbaren Dasein Abgelöstes – ein Etwas, das in sich Bestand hat, einen Bestand, mit dem es selbst das Leben des Einzelmenschen weit überdauern kann. Aber dieses so bestimmte “Dingliche” und “Wirkliche” steht nun nicht für sich allein, sondern es ist wahrhaft wirklich nur in der Wirkung, die es auf anderes Sein ausübt. Diese selbst schließt sich ihm nicht bloß äußerlich an, sondern sie gehört zu seiner Wesensbestimmung. Die Anschauung eines bestimmten Werkzeuges – die


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