- 348 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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zu gelangen? Gibt es die Möglichkeit evolutionären Aufstiegs aus Unkunst in Kunst? Den Versuch, auf solchem Weg vorwärtszukommen einen geschickten, mit viel Sachkenntnis und praktischem Sinn unternommenen Versuch, bedeutet das erwähnte “Handbuch der Film musik”. Die Autoren, Hans Erdmann und Giuseppe Becce, erfahrene Männer der Filmmusikpraxis alle beide, wenden sich an einen Leserkreis der Illustratoren, die für die Aufgaben der kommenden Filmmusik erzogen werden sollen. Der Illustrator, so ist etwa die Meinung, soll unmerklich in die Höhe des Komponisten aufsteigen; Basis des Aufstiegs bildet nun freilich die herrschende Illustrationsmethode, das bekannte Zettelkastensystem; mit viel theoretischem Aufwand soll es gewissermaßen ästhetisch sublimiert werden. Und das musikalische Begriffsvermögen des Illustrators soll ausgebildet, sein künstlerisches Niveau gehoben werden, damit dereinst die Stunde der Filmmusik ihn bereitfinde. Das Filmtheater fesselt seine Musiker in einem Zustand tiefster Niveaulosigkeit; dies Buch, aus den Kreisen der Filmmusik hervorgegangen, hat zumindest symptomatischen Wert als Akt pädagogischer Selbsthilfe.


“Illustration” und “Komposition” — die Gegensätze müßten nicht unvereinbar sein. Beide wollen dasselbe; beides ist, richtig verstanden, dasselbe. Auch der Filmkomponist illustriert den Film; alle Filmmusik, ob von Komponisten oder Illustratoren geliefert, ist ihrer Bestimmung nach Illustration. Wobei zu bemerken ist, daß der Name “Illustration” gewiß nicht glücklich gewählt ist, daß er nicht den möglichen, nicht einmal den schon vorhandenen Aufgabenkreis der Filmmusik erschöpft; aber der Name ist bräuchlich, man weiß, was darunter verstanden wird. Illustration und Komposition, in der Realität der heutigen Verhältnisse ist es der Gegensatz filmfremder und filmeigener Musik; es ist kein Gegensatz — im Hinblick auf das Ziel, das auch dem Illustrator, nicht anders als dem Komponisten, allemal gesetzt ist. Die ideale Illustration müßte im Effekt sein wie eine originale Komposition. Aber freilich, es liegt im Wesen jedes “Ideals”, daß es von der Wirklichkeit nie erreicht wird. Wie ist — oder, vorsichtiger gefragt: wie wäre die ideale Illustration beschaffen? Die Antwort wird von Film zu Film anders ausfallen, im Prinzip aber immer lauten: Die Illustration muß alle zwangsläufigen Mängel der heutigen Illustrationspraxis überwinden. Das ist eine negative Forderung. Gelänge dem Illustrator, sie zu erfüllen, so machte er den Komponisten entbehrlich. Er wird sie nie


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