- 345 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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rufen, weil ihn die ganze Musik nichts angeht, und dem Theaterunternehmer nicht einfällt, dem Musiker Zeit zu lassen, weil er nicht warten kann; solange die Produktion die Ausrede hat, sie produziere keine Musik, weil die Theater doch spielen, was sie wollen, und die Theater die Ausrede haben, sie müßten auf eigene Faust Musik machen, weil der Produzent ihnen keine liefere, und jede Möglichkeit, endlich aus dem Zustand der organisierten Indolenz herauszukommen, der Verleiher sabotiert, dem nicht einfällt, die Musik weiterzugeben, die ausnahmsweise einmal ein Mäzen von Fabrikanten zu seinem Film hat anfertigen lassen, — so lange kann es eben nicht anders werden, und es hätte da wenig Zweck, sich immer wieder in den internen Kompetenzkonflikt der diversen Ressorts und Instanzen einzumischen, die sich alle um das Vorrecht streiten, für die Beschaffung ernst zu nehmender Filmmusik nicht zuständig zu sein. Sie hätten ja alle nichts dagegen, aber —


Wir kennen dieses tödliche Aber. “Gewiß wäre es freudig zu begrüßen, wenn..., aber ...” Wir kennen die Einwände, die der Idee nichts anhaben, doch eben ihre praktische Verwirklichung nicht dulden. Wir kennen die Schwierigkeiten der Praxis, die teils gemacht, teils nicht überwunden werden; diese passiven Widerstände der Trägheit, der Stumpfheit und saturierten Gleichgültigkeit: diesen gefährlich stummen Block feindlicher Kräfte, die jedes Ja vereiteln, ohne sein Nein zu produzieren.


Wo nichts geschieht, wird man nie herausbekommen, wer es gewesen ist. Nein, die Komponisten sind nicht schuld. Sie schreiben, was gefragt wird; und viel, viel mehr, als gefragt wird. Die Opern sind nicht zu zählen, die jährlich in Deutschland von qualifizierten Musikern — mit der Hoffnung, doch in Wahrheit ohne Aussicht, eine Bühne zu finden — geschrieben werden. Die produktiven Kräfte, die solcherart der Welt, sie erfährt's nur nicht, verlorengehen, gälte es, kunstwirtschaftlich zu erfassen. Und das hieße im Effekt keineswegs, daß der Film nun für die Produktion, die der seriöse Musikmarkt ausscheidet, auch für das Minderwertige also, für den Abfall, als Absatzgebiet erschlossen, als Tummelplatz der Unbegabten freigegeben werden soll; dann könnte ebensogut alles beim alten bleiben. Aber der künstlerische Wettbewerb, dem heute wesentlich die Grenzen unseres Opern- und Konzertlebens gezogen sind, würde sich eben auf breiterer Basis abspielen, wenn die Schranken zwischen Musik- und Filmwelt gefallen wären. Die besten Musiker der Zeit sind in Bereitschaft; daß sie sich


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