- 344 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Zusammenhang nicht von der Willkür des Vorführungstempos etwa von dem ruchlosen Eiltempo eines sonntäglichen “Zweischlager-Programms” zu reden). Zweitens aber, und das betrifft die künstlerisch-psychologische Seite, was sind das für verdächtige Schnellmaler, die das Spiel, während es aufgenommen wird, mit dem einen Auge verfolgen, indes schon das andere über das Papier läuft, auf dem die Hand, eifrig kritzelnd, die Eindrücke fixiert — sogleich in Musik umgesetzt die Eindrücke fixiert, die das eine Auge dem Ohr, dem inneren Ohr des Musikers, zur Verarbeitung liefert? Nein, das hat keinen Sinn. Stoff und Stimmung des Filmwerks kann der Komponist sich vielleicht im Atelier aneignen, hier vielleicht auf eindringlichere, anregendere Art als bei der Lektüre des Drehbuchs; für seine Arbeit muß man ihm Zeit lassen, wenn der Film fertig ist.


Diese Arbeit, gewiß, ist nicht jedes Komponisten Sache. Der Musiker muß, und nicht jeder kann es, in vielfältiger Gebundenheit, Abhängigkeit jeden Anspruch des selbständig Schaffenden, die innere und äußere Geste seiner Souveränität aufgeben, muß Willen und Fähigkeit zu so subtiler, so unbedingter und so müheloser Anpassung haben, daß endlich nicht zu unterscheiden sein wird: ist die Musik zu diesem Film geschrieben oder der Film nach dieser Musik gedreht worden? Heute könnte es, ganz selbstverständlich, immer nur der Musiker sein, der neu hinzukommende, noch filmfremde, noch unerprobte, als Mitarbeiter noch nicht anerkannte, der sich dem eingespielten, um nicht zu sagen altbewährten Aufnahmemechanismus einzufügen hat. Aber sollte es auch einmal so weit kommen, daß ihm im Entstehungsprozeß des Filmganzen eine beherrschendere Rolle zufällt, die den wichtigsten Teil seiner Arbeit in ein früheres Stadium der Filmproduktion rückt: allemal wird das Zusammengehen, Ineinanderaufgehen von Film und Musik eine heikle, schwierige Sache sein, und für künftige Konflikte öffnen sich interessante, abwechslungsreiche Perspektiven. Jedenfalls bleibt hier dem Musiker ein Komplex stilistischer, artistischer, kompositions- und aufführungstechnischer Aufgaben zu bewältigen, heute verwirrend genug, vielleicht manchen, der schon auf halbem Wege war, entmutigt umkehren zu lassen.


Das sind Sorgen des Musikers, man sollte sie ihm nicht ersparen. Den Komponisten rechtzeitig rufen und ihm dann für seine Arbeit Zeit lassen: das ist alles, was für ihn zu verlangen ist. Eine Unmöglichkeit? Solange dem Produzenten nicht einfällt, den Musiker rechtzeitig zu


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