- 340 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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auch der Film war es nicht. Keiner stellte höhere Ansprüche, weder das Publikum, noch der Film, noch die Musik; man war einig, es herrschte Harmonie. Vor allem aber, es war, gerade in jenen primitiven Anfängen, als man noch naiv an die Sache ging, zugleich Musik zum Film, die der Musiker gab, das heißt machte, und sie befriedigte das praktische Musikbedürfnis des Filmtheaters, das damals noch kleines Kino war. Mit dem Improvisieren, mit der Illustration aus dem Stegreif mußte es ein Ende haben, als an Stelle des Pianisten das Orchester oder zunächst die kleine Kinokapelle rückte; ein Ende, selbst wo diese nur aus zwei Mann, der Musikapparat aus zwei Instrumenten, Klavier und Geige, bestand. Also nicht mehr Musik zum Film, nur Musik des Filmtheaters und nach dem Bedürfnis des Filmtheaters. Um diesem Bedürfnis zu genügen, habe die Musik, so meinte man, eben — Musik zu sein; irgendwelche Musik; Musik, die irgendwie ist, allenfalls im Charakter den Gattungsbegriffen Tragödie, Drama, Schwank entsprechend, doch im einzelnen durchaus ohne die Prätention innerer Beziehung zum Filmgeschehen; Ouvertüren, Symphoniesätze, Opernpotpourris in blinder Folge — “indifferente”, “neutrale” Musik sozusagen; aber “künstlerisch” exekutiert: wie das vom anspruchsvoller gewordenen Publikum der anspruchsvoller gewordenen Lichtspieltheater allmählich verlangt wurde. Das Orchester wurde Werbemittel des Theaters; im Ufa-Palast am Zoo saßen zeitweise bis zu fünfundsiebzig Musiker, es entwickelte sich der Unfug des musikalischen “Beiprogramms”. Nach amerikanischem Vorbild selbstverständlich; schon sahen wir Berliner Filmhäuser mit der linken Hand nach dem Geschäft des Konzertmusikvertriebs greifen und allen Ernstes sich als Aufgabe anmaßen, so nebenher das “seriöse” Musikbedürfnis des großen Publikums zu befriedigen (das, in Berlin, vor dem Überangebot an guten Konzerten sich nicht zu retten weiß), des großen Publikums, nämlich des kleinen Mannes, der “drüben”, so wird uns erzählt, weder Zeit noch Geld für Kino und Konzert übrig hat und also dankbar begrüßt, wenn er zwischen zwei Filmen die neuesten Symphonieschlager versetzt bekommt —und das heißt wiederum, in unsere Verhältnisse übertragen: die Tannhäuser-Ouvertüre, Strauߒ “Till Eulenspiegel“, und warum nicht auch ein Bruckner-Adagio; mit Scheinwerfereffekten, modernste Auffassung garantiert...


Ouvertüren, Symphoniesätze, Opernpotpourris — so trieb man es etwa bis 1925; “neutrale” Musik. Aber allmählich hatte sich in Filmkreisen


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