- 338 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Filmkunst müßte isoliert, fernab von Massenbetrieb und Massenvertrieb angesiedelt, alle Kunstwerte, die heute der Industriefilm verschlingt, und die darin, in einem Wust von Unkunst, untergehen, müßten im Kunstfilm gesammelt, gepflegt, gefördert werden. Filmkunst als Programm — Programm der Filmindustrie -, gewiß, auch das wäre keine organisch gewachsene, wäre wieder nur eine künstliche Kunst, Treibhauskunst, ein Kunstprodukt der Industrie, und das wäre, mit einem Wort, eine höchst amerikanische Art, Kunst zu machen. Aber die deutsche Filmkunst ist so rettungslos, so bis in die Wurzeln ihres fragwürdigen Seins amerikanisiert, daß ihr nur mit amerikanischen Methoden zu helfen ist. Sie muß “gemacht” werden, um lebensfähig zu werden. Ein paar Filmgewaltige müßten die Sache in die Hand nehmen; es wäre der Mühe und der Opfer wert. Eine Stätte der Filmkunst, ein künstlerisches Filmtheater tut not; ein Theater, es könnten auch mehrere sein, der kommenden Filmkunst gewidmet: das so künstlerisch wäre, nur künstlerische Filme, Kunstfilme zu zeigen; Filme, die nicht auf Massenabsatz eingestellt, die eben für dies Theater (und andere seinesgleichen) entworfen und aufgenommen würden. Für jeden Film müßte es eine Ehre sein, in solch einem Theater laufen zu dürfen. Die Künstler würden sich drängen; die Stunde der reinen Filmkunst wäre gekommen. Und endlich würde die Lösung des künstlerischen Problems Filmmusik unaufschiebbar...


Die Frage, ob der Film als Kunst möglich, kann nicht mehr verneint werden. Aber diese, ewig kommende, Filmkunst, die wohl nie die Ambition haben wird, Regel und Gesetz ihres Seins paragraphiert zu bekommen, wächst unter Bedingungen, die in der Geschichte der Künste ohne Beispiel sind. Nicht Ausdrucksbedürfnis des Künstlers, nicht Kunstbedürfnis einer Gemeinde schaffen hier das Instrument zur Erreichung künstlerischer Ziele; das Instrument, der Apparat ist da; als technisch organisierte, soziologisch präparierte Kunstgelegenheit; es gilt, sie zu nützen, gilt, in den Apparat Kunstwillen zu leiten. Das geschieht von zwei Seiten her: das heutige Filmtheaterpublikum ist willig, Kunst — nun zum mindesten mit in Kauf zu nehmen; und der moderne Künstler, entschlossen, den Film als Ausdrucksmittel zu erfassen, zwingt den Apparat in seinen Dienst. Nur der Musiker, zur Bedienung des Apparats mobilisiert, findet noch immer nicht seinen Platz bei der. künstlerischen Eroberung des Films; anstatt den Aufstieg der Filmkunst zu fördern, hat die Musik die Funktion, ihn zu hemmen.


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