- 329 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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gewaltiges Dichtwerk schaffen, der Komponist wenigstens den ziemlich genau fixierten Anlaß einer musikalischen Lautbarmachung herstellen kann, sieht sich der Filmkünstler erst dann in der Lage, seine Ideen zu realisieren, wenn es ihm durch die mannigfaltigsten, nicht eigentlich zu seiner Produktivität gehörigen Bemühungen gelungen ist, an die teure und komplizierte Klaviatur seines Instruments zu gelangen. Daß etwa in einem einzigen Meter eines gezeichneten Tontrickfilms — trotz aller Popularität — mehr Kunst enthalten sein kann als in tausend Millionenfilmen, daß also nicht unbedingt die Kompliziertheit und Kostspieligkeit des Apparats ausschlaggebend für den Kunstwert sein muß, ist in diesem Zusammenhang zwar bemerkenswert, aber nicht von prinzipieller Bedeutung. Denn solche Fälle sind begnadete Ausnahme und Glücksfälle. Sie beweisen viel für die Sieghaftigkeit des Genies über die Materie, aber nichts für den methodischen Versuch, den produktiven Kräften Hindernisse aus dem Wege zu räumen und ihre Entfaltung zu erleichtern. Denn immer bleibt die Tatsache, daß diese Entfaltungsmöglichkeit künstlerischer Persönlichkeit im Film durch die Umständlichkeit und Kostbarkeit seiner Produktionsmethoden schwer behindert wird.


Es wäre also zunächst von der Technik zu fordern, daß sie den konsequenten Weg einschlägt, das Handwerkszeug des Films derart zu vereinfachen und zu verbilligen, daß es auch den geschäftlich Unbegabteren zugänglich gemacht werden kann. Diese Forderung kann für die Technik aber erst dann erfüllbar werden, wenn ihr der praktische Wert des Geforderten einleuchtet. Und diese Einsicht wiederum ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß der der Technik anhaftende Nimbus auf das richtige Maß zurückgeführt werden kann und sie zu dem wird, was sie eigentlich ist, nämlich Dienerin des Geistes.— Kunst ist aber ein Teil des Geistes, und wenn sie auch als “Ersatz” für nicht erreichbare Lebensfreuden charakterisiert werden kann, so bleibt sie dennoch eine viel reellere Sache als das, was sie ersetzt, weil sie selbst durch nichts zu ersetzen ist. Und wenn es auch der Technik zum Beispiel gelungen ist, uns durch Schaffung des Flugzeugs eine neue Dimension des Raumes zu erschließen, so bleibt dennoch die Kraft des Geistes und damit auch der Kunst in ihrer ewigen Position, die uns alle Dinge der Welt jederzeit neu und in neuen Dimensionen zu erobern erlaubt.


Nicht Geringschätzung der Technik ist damit ausgesprochen, sondern


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