- 330 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Abwehr gegen Unterschätzung des Geistes im Gefolge modischer Überschätzung alles Körperlichen gegenüber dem Geistigen. Denn zum Körperlichen gehört die Technik ebenso wie der “Stoff” oder der “Inhalt” im dramaturgischen Sinne — und erst bei der Praxis des Formens und Gestaltens beginnt die Domäne des Geistes.


All dies leugnet nicht im geringsten die produktive Qualität des Technikers. Eine Überlegung über die Unhaltbarkeit der Begriffsfixierung des “Produktiven” und “Reproduktiven” in der Musik und im Drama, die eine einende und eindeutige Lösung nur im Film und bis zu einem gewissen Grade in der Schallplatte gefunden zu haben scheint, führt zu dem Bedürfnis, für die Technik eine neue Definition in dieser Reihe zu bilden, nämlich die des “Präproduktiven”. Wie nämlich etwa bei einem unbedeutenden Drama ein wirklich “Produktives” erst bei seiner genialen Inszenierung — bei seiner Reproduktion also — entstehen kann, so ist auch der Fall denkbar, daß in einem ähnlichen Kunstgebilde nur das “Präproduktive” produktiv zu nennen wäre.


Ein Beispiel dafür ist der heutige Durchschnittsstatus des Tonfilms, bei dessen Erzeugnissen vorläufig das Maximum des Produktiven trotz aller Unvollkommenheiten beim rein Technischen zu finden ist. Allerdings darf im Falle des Tonfilms nicht vergessen werden, daß die schöpferische Wertung seines technischen Teils in erster Linie dem Umstande zuzuschreiben ist, daß sein Handwerkszeug viel zu neu und zu schwierig in der Handhabung ist, als daß Dichtung und Realisation sofort mit ihm Schritt halten könnten.


Die Tatsache dieser Überrumpelung der Kunst durch die Technik, deren Erfolge zunächst mehr der technischen Sensation als der Kunst gutzuschreiben sind, offenbart aber von neuem das Unorganische des Getrenntmarschierens von Technik und Film. Sie führt wiederum zu der Forderung des “Laboratoriums” — jener Institution, in der die Entwicklungsbedürfnisse von Technik und Film sich kameradschaftlich verbinden könnten. Und in der Tat geht die Sehnsucht der wirklich fruchtbaren technischen Köpfe dahin, aus dem abstrakten Zwang der Apparateverbesserung zu dem lebendigen Wissen des “wofür” ihrer Bemühungen zu gelangen. Denn ebenso wie für den Künstler intuitives Verständnis für den technischen Sinn seines Instrumentes notwendig ist, wird die Bedeutung der Wirksamkeit des schöpferischen Technikers in demselben Maße steigen, wie seine innere Anteilnahme an dem Sinn der Verwertung seiner Schöpfungen zunimmt. Eine solche gegenseitige


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