- 319 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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und wird diese Wirksamkeit für die nächste Zeit noch in erhöhtem Maße entfalten. Denn auch alle die hier berührten Künste, vor allem das Theater, haben aus sich heraus Zukunftsprobleme geboren, die mit den äußeren Faktoren des Films zu einer inneren Deckung gelangten. Ebenso muß es sich zwangsläufig in der Entwicklung der Musik vollziehen: ganz gleichgültig, was aus dem Radio wird, seine Invasion in die Musik muß deren Entwicklung in einem entscheidenden Maße beeinflussen, und zwar auf einem Boden, der weit von allem Mechanistischen entfernt ist. Jede Kunst hat gewissermaßen ihr Schwarzweiß; dies ist immer Herbheit, Ehrlichkeit, Geradheit, Sachlichkeit im guten und wahren Sinn, das heißt Sachlichkeit dem stilistischen Problem gegenüber. Nietzsche definiert einmal die Barockkunst als eine solche, die ihre Wirkung nicht mehr mit rein künstlerischen Mitteln erreicht. Gleichgültig, ob er hier in bezug auf das Barock recht hat, solche künstlerischen Entartungen gibt es, und von ihnen war die Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis über die Jahrhundertwende nicht frei. Die Besinnung auf das musikalische Schwarzweiß wird als reinigendes Bad wirken. Selbst wer nicht anerkennen will, daß dieses notwendig ist, muß doch zugeben, daß zum mindesten hier wirklich ein Stück neue Musik auf dem Wege ist.


Wesentlich schwieriger liegen die Dinge mit einem andern Umstand, der beim Radio in den Vordergrund tritt. Die weitgreifende Schichtung der Kreise der Hörer verlangt, wenn das Radio ein wirklich lebendiges Instrument werden soll, eine Musik für alle, die überhaupt in irgendeiner Weise bereits hören gelernt haben. So hat man denn das Problem einer allgemeingültigen, das ganze Volk in gleichem Maße umfassenden Musik in den Vordergrund gestellt. Auch hier bringen soziologische Verhältnisse Klärungen in geistige Krisen. Der allzu esoterische Charakter der Musik der letzten Jahrzehnte vermag nicht bestritten zu werden. Überall finden wir das Ringen um einen wahrhaft volkstümlichen Ausdruck. Aber zunächst sind wir hier vom Ziel vielleicht noch am weitesten entfernt. Unsere Bestrebungen um Volkstümlichkeit tragen leider den Stempel einer allzu großen Intellektualität. Volkstümlichkeit läßt sich nicht machen und kann nur aus sich selbst herauswachsen. Der problematische Begriff der Gebrauchsmusik tritt allzusehr hervor. Wie auf zahlreichen andern Gebieten der Musik unserer jüngsten Gegenwart, verwirrt auch hier die Historie die Köpfe. Weil wir aus den musikgeschichtlichen Forschungen


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