- 317 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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wieder zu diesem romantischen Brennpunkt zurück. So korrigiert sich der Kampf der wechselnden künstlerischen Perioden aus sich selbst heraus, und innere Notwendigkeiten senden die Taube mit dem …lzweig aus einem Lager in das andere.


Wir möchten sogar so weit gehen, zu behaupten, daß das Problem der Programmusik durch den Rundfunk ebenfalls in einer ganz neuen Beleuchtung erscheinen wird. Wir wollen hierbei nicht mißverstanden sein: es soll damit keineswegs gesagt sein, daß man eine ideale Musikpflege im Radio dadurch erreichen könnte, wenn man dort vorwiegend die Werke der Programmusik aufführt. Daß diese letztere aber hier unter Umständen sehr viel stärker wirken könnte als im Konzertsaal können wir jeden Tag wahrnehmen; die Erklärung liegt in der oben gemachten Feststellung, daß stets die Phantasie des einen Sinnes entscheidend durch die Realität des Ausdrucks für den andern erregt wird.


Stärker als diese traditionsgebundenen Stilelemente scheinen aber doch andere zu sein, die aus einer neuen Situation entspringen. Wir haben auf die Parallele zwischen Radio und Film wiederholt hingewiesen. Je tiefer man in die Probleme eindringt, desto deutlicher zeigt sich hier ein fast durchweg erkennbarer Parallelismus. Der Film ist bewegte Form, und zwar aus der Dreidimensionalität in das Zweidimensionale projiziert. Sein stärkstes künstlerisches Leben gewinnt er aus einer scheinbaren Zufälligkeit, aus dem Umstand, daß die farbige Kinematographie noch nicht erfunden ist, und daß infolgedessen eine Schwarzweißtechnik gegeben ist. Gerade darin, daß aber reale Bewegung und Unrealität der fehlenden Farbe zusammenkommen, liegt aber das Wesentliche: der heutige Film kann niemals photographiertes Leben werden, sondern wird durch die stilisierende Kraft der Schwarzweißtechnik in eine wirklichkeitsentrückte künstlerische Sphäre gehoben. Dazu kam bisher, daß die Bewegung geräuschlos verlief und daß die filmakustische Komponente durch die Musik gegeben wurde. Wenn der Tonfilm siegt und die farbige Photographie dazukommt, so wird der Film ein Surrogat der darstellenden Künste werden und damit seinem künstlerischen Untergang entgegengehen.


Auch das Radio ist bewegte Form; an die Stelle des Optischen tritt das Akustische. Wir beschränken uns bei unserer Betrachtung auf die Musik. Diese wird ebenfalls aus der Dreidimensionalität in ein anderes Dimensionsverhältnis, genau genommen in ein zweidimensionales,


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