- 302 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Anfang ohne Plan und Ziel, nur in der reinen Lust am Experiment. Noch ehe man soweit war, sich auf einem sicheren Boden zu fühlen und irgend etwas zu bejahen, war eine riesige Opposition vorhanden Fast die gesamte Musikerschaft lief wütend Sturm gegen diese Blasphemierung ihrer heiligen Kunst. Der Kreis der Fachmusiker, die von Anfang an Wesentliches und Entwicklungsfähiges in dem Neuen sahen, war sehr klein, und jeder, wie auch der Verfasser dieser Ausführungen, hat erlebt, daß mancherlei Mut und Glaube dazu gehörte, in diesem frühen Stadium der Sache treu zu bleiben. Wer an die Zukunft einer Radiomusik glaubte, wurde geradezu als Apostat verschrien und war im Begriff, sich seinen Ruf als ernster Künstler zu verscherzen. Wir können das heute schon fast nicht mehr ganz verstehen, um so mehr, als sehr viele Musiker nicht aus künstlerischen, sondern, sagen wir es offen, aus wirtschaftlichen Gründen recht bald ihre Opposition aufgaben. Denn mit dem neuen ästhetischen Problem war ja ein soziales aufgetaucht! Die Gegensätze im Für und Wider spitzten sich immer mehr zu, als sich Kunstschriftstellerei und Kunstjournalistik der Frage bemächtigten und die Tagespresse zum großen Teil in die Opposition trat, weil eine neue Gefahr, die der Konkurrenz gegenüber dem gedruckten Wort durch eine gesprochene Journalistik, auftauchte. Während zunächst der ganze Funkbetrieb davon lebte, Surrogate zu geben? sammelte sich um die Leitungen der Sender sehr bald ein kleiner Kreis derer, die versuchten, ähnlich wie bei dem Filmischen, das sehr bald als Parallele auftauchte, den Begriff des Funkischen zu entwickeln oder mindestens vorzubereiten. Dann ist die Bewegung lawinenhaft angewachsen und hat mit der enormen Bedeutung, die das Radio in unserm Kulturleben heute besitzt, auch das Problem der Funkmusik in das grellste Licht der Aktualität gerückt.


Ehe wir den Konsequenzen nachgehen, die sich aus dieser Entwicklung überraschenderweise ergaben, müssen wir eine Feststellung machen, und zwar in Beantwortung des immer wieder erhobenen Vorwurfs urfs, das Radio sei mechanische Musik und somit eine wichtige Etappe auf dem Wege der Mechanisierung. Gerade die Zergliederung dieses Vorwurfs zeigt uns, wie gedankenlos heute Schlagworte nachgeredet werden. Mechanische Musik ist die des Orchestrions oder der Orgel, die durch den Ablauf einer Walze erzeugt wird. Hier sind die Rhythmen, Tonhöhen und Tonlängen mehr oder weniger maschinenmäßig eingestanzt; persönlicher künstlerischer Ausdruck ist so gut wie


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