- 301 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Geist geformt hat, ist nicht diese Wandlung materieller Voraussetzungen wiederum aus dem Geistigen so bedingt, wie etwa die Welt auch jederzeit ebenso zwangsläufig logisch wie aus dem Geheimnis zufälliger Zeugung heraus ihre genialen und führenden Persönlichkeiten erhalten hat? Ist z.B. der für Deutschland so unglückselige Dreißigjährige Krieg wirklich nur eine zufällige Störung einer großen geistigen Entwicklung gewesen? Ist nicht alles, was sich aus dem Zufälligen zum Zeitbestimmenden durchsetzt, als logischer Bestandteil der Entwicklung anzusehen? Müssen wir aus dieser Anschauung heraus nicht vor allem die Frage überprüfen, ob die elektrische Welle nicht auch eine Erscheinung ist, deren sich die Welt gerade jetzt und aus einem bestimmten inneren Zwang heraus bemächtigen mußte? Kann also die Aufgabe des Kulturpolitikers überhaupt darin bestehen, solche elementar sich durchsetzende Erscheinungen rein positiv oder negativ zu werten? Stehen wir nicht hier wie in jedem Augenblick vor der Aufgabe eines Steuermannes, der auf der Reise mit dem Sturm, dem Riff, dem Eisblock, der Meeresströmung als gegebene Tatsachen zu rechnen hat und der bei unverrückbarem Ziel die Reiseroute aus den ihm entgegentretenden Realitäten heraus zu bestimmen hat?


Betrachten wir die historische Entwicklung des Rundfunks, soweit wir von einer solchen nach fünf Jahren bereits reden können! Sobald man von der reinen Übermittlung von Nachrichten zu einem Unterhaltungsteil überging, sobald man hier, ebenso wie früher beim Film, in die Sphäre der Kunst zunächst gewaltsam einbrach, konnte man der Musik nicht ausweichen. Zwei Faktoren waren hier entscheidend. Zunächst erkannte man, so gut sich das gesprochene Wort reproduzierte, so mannigfaltig man dieses durch die Übertragung von Geräuschen im Sinne der akustischen Kulisse unterstützen konnte, doch nur allzu deutlich, wie arm hier der vorhandene Ausdrucksapparat war und wie schnell er sich ad absurdum führen mußte. Bei allem Problematischen, das sich bei den ersten Musikübertragungen einfand, fühlte man doch sehr bald, daß eine Darstellung des Weltbildes durch rein akustische Mittel des Tones, und zwar des in Harmonie und Rhythmus gebundenen, bedurfte. Die andere gegebene Tatsache zeigte sich in der Vorarbeit durch die Schallplatte, also in dem Umstand, daß der Begriff der übertragung von Musik auf mechanischem Wege bereits vorhanden war. Man hat nun, zunächst aus reiner Verlegenheit um Programme, Musik und immer wieder Musik gemacht, und zwar am


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