- 286 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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trocken ohne Pedal oder verschwommen durch das Pedal im Lautsprecher klingen. Der Klang des Orchesters hängt durchaus nicht nur von der Zahl und Art der Instrumente, sondern vor allem von ihrer Verwendung ab. Allein vier in der Mittellage enggesetzte Hörner können im Forte jeden andern Ton zerstören, eine einzelne hohe Flöte kann sich so vordrängen, daß außer ihr nur noch Begleitung oder Getön empfunden wird, ein im Konzertsaal charakteristisches Unisono von Oboe und Klarinette kann in der Oktave c bis c /vgl. Anmerkung/ zu einem Klarinettensolo werden u. a. m.


Während sich einige Instrumente stark hervordrängen und andere zurücktreten, erfährt die Gesamtheit eine gewisse Angleichung. Der Charakter dieser Angleichung richtet sich nach dem instrumentalen Satz. Man kann mit vier völlig verschiedenen Instrumenten mehrere Klangfarben des gleichen Akkordes erzielen, indem man immer ein Instrument in seiner besten, resonanzreichen Lage spielen läßt; die andern werden sich diesem, in der Resonanz bevorzugten, angleichen.


In bezug auf Plastik ist eine gewisse Art von Polyphonie nicht mehr erkennbar. Dabei handelt es sich nicht allein um Vielstimmigkeit, sondern auch um die Art der Stimmführung; pausenloser Kontrapunkt wird, zumal wenn die Instrumente oder das Instrument (Klavier!) in gleicher Lage bleiben, als unruhige Fläche und nicht als mehrstimmige Bewegung gehört. Ganz entscheidend ist rhythmische Plastik und rhythmische Diktion. Jede fließende Musik ist aus dem Lautsprecher ungleich schwerer verständlich als rhythmisch prägnante. Das gilt für rhythmisch akzentuierte Phrasierung jeder Musik wie für grundsätzliche Bevorzugung eines jeden rhythmisch-charakteristischen Stils. Sehr wichtig für die Plastik ist auch die Behandlung der Höhe und Tiefe. Kräftige, aber klare Bässe sind unbedingt nötig, die weichen Kontrabässe verschmieren oft das ganze Klangbild. Aber auch Kontrabässe können weich oder hart sein, je nachdem welche andern Instrumente noch spielen. Die Höhe darf nicht zu stark sein, sonst wird aus jedem Stück ein Satz für einstimmige Melodie mit mehr oder weniger deutlicher Begleitung; und das um so mehr, da die Mittellagen besondere Verschmelzungstendenz aufweisen.


Die Plastik des harmonisch akkordlichen Momentes gehört bereits zur Frage der Diktion; denn sowie das Akkordliche unplastisch wird, verliert es seinen Charakter. Ob ein einfacher Akkord zu eng und voll gesetzt, oder ob ein Akkord an sich zu vielstimmig ist, kann im Lautsprechereffekt


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Anmerkung

- Unterstriche unter Tonhöhenbezeichnungen, S. 286: “ c (ein Unterstr.) bis c (zwei Unterstr.)”


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