- 284 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (283)Nächste Seite (285) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



müssen eliminiert, hervortretende Stimmen verstärkt, überflüssige Verdopplungen gestrichen werden. Terzverdopplungen über drei Oktaven, wie sie in Werken des ausgehenden 19.Jahrhunderts vorkommen, klingen ebenso charakteristisch, aber besser, wenn man sie umlegt und von Instrumenten gleicher Gattung nur je eine Stimme spielen läßt. Am schwierigsten ist die Behandlung reiner Polyphonie; man kann schließlich nicht aus einer vierstimmigen Fuge eine dreistimmige machen,— aber zu hören ist etwas komplizierte Vierstimmigkeit im Rundfunk kaum noch. Da läßt sich dann wenigstens der Aufbau des Stückes durch Verstärkungen und Nuancierungen verdeutlichen. Eine letzte, sehr wichtige Aufgabe ist die Kontrolle der Artikulation. Phrasierungen müssen geprüft werden, kleine Zäsuren eingeführt, unwillkürliche kleine Pausen dagegen oft vermieden werden. Für alles das kann der Interpret in kurzen Proben unmöglich sorgen. Auch ist es völlig zweierlei, ob der Interpret den Baß in Rücksicht auf akustische Verhältnisse des Aufnahmeraumes verstärkt, oder ob es ein Bearbeiter aus Gründen klanglichen Gleichgewichts tut. Man kann auch nicht den Satz dadurch klarer machen, daß man im Orchester vier Hörner weiter entfernt vom Mikrophon aufstellt; man erhält dadurch eine andere Raumplastik, während man durch Reduzierung von vier Hörnern auf zwei eine Auflockerung des Satzes erzielt. Um jeden Preis soll man durchaus nicht bearbeiten wollen, aber den Versuch sollten die Komponisten überall da machen, wo es gilt, ein wertvolles Werk für die Rundfunkinterpretation zu gewinnen, das im Original nicht klar genug wirkt. Man muß durch kompositionstechnische Mittel die Regie unterstützen, die vom Interpreten im Senderaum vorzunehmen ist. Das erfordert Kenntnis der Verhältnisse; wo ein erstklassiges Musizieren ausreicht, darf nichts bearbeitet werden.


III


Die Frage, ob und wieweit die Güte der Lautsprecherdarbietung garantiert werden kann, ist direkt und eindeutig nicht zu beantworten. Hauptgrund für diese Unmöglichkeit ist die Tatsache, daß die Entwicklung der Technik fortschreitet und daß außerdem die Möglichkeiten einer sachgemäßen Rundfunkinterpretation noch gar nicht ausgenutzt sind. Aus diesen Gründen glauben eine ganze Anzahl Musiker und Techniker


Erste Seite (1) Vorherige Seite (283)Nächste Seite (285) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 284 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik