- 282 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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erlebten Festlichkeit, Andacht usw., sie müssen den Hörer losgelöst von seinen Alltagsbeziehungen wissen. Ihnen wird oft erwidert, daß es einen Ersatz für diese Dinge gibt. Aber zu helfen wird hier nicht viel sein. Wer aus diesen Gründen ablehnt, lehnt endgültig ab.


II


Wer sich zum Rundfunk bekennen will, muß an seine kulturelle Mission glauben. Als schaffender Musiker muß er außerdem davon überzeugt sein, daß ein Musikwerk charakteristisch und wirkungsvoll vom Lautsprecher wiedergegeben werden kann, und will er gar für den Rundfunk schaffen, muß er in Überzeugung und Erkenntnis noch viel weitergehen. Wir haben die Fragen zu erörtern: ob und inwieweit Musik charakteristisch dargestellt werden kann, ferner: welchen Bedingungen sich der Komponist unterwerfen muß, wenn er eigens für Rundfunk schreiben will, und schließlich: in welchen Beziehungen die individuelle, schöpferische Mission zur kulturellen des Rundfunks stehen muß.


Die beiden Aufgaben des Rundfunks: zu unterhalten und Kenntnis von der bestehenden Musikliteratur zu geben, werden ohne weiteres anerkannt. Die Möglichkeit, Unterhaltungsmusik gut aufzuführen, ist aus der Erfahrung heraus grundsätzlich zu bejahen, wenn mit ihr auch noch manche ungelöste Darstellungsfrage verbunden ist. Aber die andere Aufgabe: Kenntnis von der Musikliteratur zu geben, ist noch lange nicht in vollem Umfange lösbar. Ein Kunstwerk vor dem Mikrophon aufzuführen, hat nur dann Sinn, wenn die Güte seines Empfanges garantiert ist. Soweit diese Garantie durch die Interpretation und Technik übernommen werden kann, liegt für den schaffenden Musiker überhaupt kein Problem vor. Anders liegt der Fall, wenn festzustellen ist, daß auch die sorgfältigste Interpretation und noch so entwickelte Technik einem Werk eine wirkungsvolle Wiedergabe nicht verschaffen können. Wirkungsvolle Wiedergabe ist unerläßliche Notwendigkeit. Die Wirkung hängt aber — außer von Technik und Interpretation — von der Möglichkeit, die Sprache eines Werkes deutlich erkennen zu können, ab. Wer die Sprache eines andern nicht versteht, wird nicht in der Lage sein, für das, was der andere spricht, Verständnis aufzubringen. Und die Unmöglichkeit, verstehen zu können, muß jedem ehrlichen Hörer die größten Meisterwerke als langweiligen


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