- 271 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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will ich noch bemerken, daß die letzte Beobachtung ganz selbständig gemacht wurde, ohne daß der Begriff der Komplementfarbe von uns in diesem Zusammenhang angewendet worden war.


Ich möchte diesem Zitat keinen Kommentar hinzufügen. Gemeinsam ist ihm und ähnlichen Berichten, daß sie eine in den Stunden erworbene Betrachtungsweise selbständig durchführen, niemals etwas mechanisch und daher vielleicht unverstanden wiederholen, was vor dem Mikrophon bereits gesagt wurde, sondern mit dem dort gewonnenen Material an Begriffen und Gedanken selbständig weiterarbeiten. Mag dieses auch nur bei einem kleinen Teil der Hörer in ähnlicher Weise sichtbar werden, so geben diese Äußerungen doch eine Gewähr, daß eine Erziehung zum aktiven Hören von Musik auf diesem Wege zu erreichen ist.


Neben solchen sachlichen Zuschriften stehen persönliche Mitteilungen. Sie beziehen sich auf die Inhalte der Stunden, gehen aber meist weit darüber hinaus. Sie führen in vielen Fällen dazu, daß der Schreiber über sich selbst spricht, von seiner menschlichen und musikalischen Entwicklung berichtet, Rat erbittet oder Zweifel äußert. Hier kommt auch der Rundfunk an die letzten Fragen der Pädagogik. Es entsteht ein Verhältnis von Mensch zu Mensch, dessen Grundlage eine ständige und immer wachsende Vertrautheit und doch zugleich die durch den Rundfunk bedingte persönliche Anonymität ist. Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren ergibt ein eigenartiges Verhältnis zwischen Kursleiter und Hörer. Hier liegen zugleich auch die wertvollsten Inhalte der Korrespondenz, die sich durch ihren persönlichen Charakter freilich der Wiedergabe und der Verallgemeinerung entziehen. Als Ersatz für sie möchte ich einige Sätze aus dem Briefe eines rheinischen Lehrers mitteilen, die auch unter den Gesichtspunkt der Rundfunkpädagogik fallen und als Gegengewicht gegen alle auf Einheit und Systematik gerichteten Wünsche einmal erkennen lassen, welche Rolle gerade hier der Zufall spielt:


“Ich kann nicht umhin, Ihnen eine kleine Episode aus meiner Sommerfrische zu erzählen, die Sie sicher erfreut. In der zweiten Augustwoche saß ich (wegen Regenwetters) mit einer größeren Gesellschaft vor einem Radiosender. Ich erlaubte mir, die Gesellschaft auf Ihren Vortrag aufmerksam zu machen und schaltete den Apparat dementsprechend ein. Ich kann Ihnen versichern, daß sämtlichen Hörern und Hörerinnen diese Stunde ein großer Genuß war; wir hatten

 


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