- 260 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Volkslieduntersuchungen stand einmal in einer Arbeitsgemeinschaft die Vertonung des alten Liedes “Steht auf, ihr lieben Kinderlein” zur Diskussion. Ich stelle eine der eingegangenen Lösungen hierher, um an einem positiven Beispiel zu zeigen, wie weit eine solche Arbeit imstande ist, aktive musikalische Kräfte in einem fachlich völlig unvorgebildeten Hörer frei zu machen:



Wir haben bei der Besprechung dieser Lieder wochenlang verweilt. Die Zahl der eingegangenen Lösungen war groß, und es war uns und den Hörern sehr interessant, die Gegensätze in gemeinsamer Besprechung vor dem Mikrophon herauszulösen. Wir achteten darauf, wie weit der Rhythmus der Worte in der Vertonung aufgenommen oder überwunden war, wie weit die Verteilung der melodischen Höhepunkte mit dem Texte übereinstimmte oder aus eigener musikalischer Gesetzmäßigkeit gewonnen wurde, vor allem auch, ob der Widerspruch zwischen formaler und inhaltlicher Gliederung des Textes (formal: a—a1; b—b1; inhaltlich: a—b, b1—c) erkannt und wie er in der Musik zum Ausdruck gebracht wurde. Wir fanden in den Lösungen unserer Hörer alle Stufen der Abhängigkeit und Unabhängigkeit zwischen Wort und Ton.


Die überraschend starke Reaktion auf derartige Aufgabenstellung regte an, den analytischen Aufbau immer wieder von Zeit zu Zeit durch eigene musikalische Versuche zu unterbrechen. Dabei ist vielleicht gerade für den Rundfunk ein Umstand außerordentlich wichtig, der im persönlichen Unterricht meist ganz zurücktritt: daß das Arbeiten mit den Tönen nicht ganz frei, sondern von einem gegebenen


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