- 250 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Was hier vom Beispiel der Klaviermusik aus angedeutet wurde, läßt sich auch auf die andern Gebiete übertragen. Gehörbildung, gemeinsames Singen, Streichermusik gäben einer solchen Entwicklung weitesten Spielraum. Es muß sich dabei nicht ausschließlich um neue Musik handeln, wenn auch diese sowohl durch ihre Problematik als auch durch ihre Bedeutung für die Zukunft in diesem Zusammenhang besonders wichtig wird. Bei ihr kommt hinzu, daß einmalige oder wiederholte gute Aufführungen vor dem Mikrophon zu einer Klärung des Klangbilds wesentlich beitragen können. Es ist dabei an Stücke zu denken, wie Hindemiths Schulwerk für instrumentales Zusammenspiel. Diese Stücke wollen das Fundament einer neuen Hausmusik werden. Hier könnte der Rundfunk denjenigen eine Hilfe werden, welche die stofflichen und sprachlichen Schwierigkeiten solcher Werke noch nicht überwinden können. Ich möchte an einen konkreten Fall anknüpfen, welchen ich dem Bericht M. Radlers über Hausmusik (Melos 1930, Heft 1, Seite 22) entnehme. “Der ,Mensch von heute', der doch in jedem von uns sein Beispiel gefunden hat, verlangt auch nach dem Ausdruck durch die ,Musik von heute'. Mit wahrer Gier stürzen sich unsere Streicher auf das ,Neue Werk', das hauptsächlich Kammerquartette und -quintette von Hindemith bringt. Seltsamerweise hielt die Begeisterung nicht lange bei der Musikantengruppe an; denn mittels des Ohres schien uns keine Kontrolle möglich. Uns allen bleibt es ein Rätsel, weil uns der Name Hindemith eine Fülle von großen Eindrücken im Konzertsaal zurückruft. Wir beschieden uns nach dem Spiel mit der Feststellung, daß auch Beethoven seinen Zeitgenossen Nüsse zu knacken gab, und wir werden uns deshalb nicht vor dieser Aufgabe drücken.”

Hier könnte der Rundfunk einsetzen. Er könnte nicht nur einwandfreie Aufführungen solcher Stücke vermitteln, sondern könnte die Wiedergabe zu einer praktischen Musizierstunde gestalten. Sie würde die einzelne Stimme melodisch durchbauen, die Polyphonie von der Stimme aus entwickeln, kurz: ein solches Stück in lebendigem Wachstum erstehen lassen. Dabei bürgen Persönlichkeit des Künstlers und Niveau der Darstellung für absolute Qualität.


Mit diesen letzten Gedanken wird schon eine zweite Form praktischen Musizierens vor dem Mikrophon berührt, die ihren Schwerpunkt im gemeinsamen Singen hat. Diese Arbeit wird seit einiger Zeit am Hamburger und Berliner Sender von Prof. Fritz Jöde durchgeführt. War Voraussetzung der vorigen Gedankengänge noch die Tatsache, daß der


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