- 249 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Überwindung vielleicht zu einer rundfunkeigenen Vortragsweise führen könnte.


Aber Vorträge, Reden über Musik erscheinen sekundär, verglichen mit dem praktischen Musizieren im Rundfunk. Es handelt sich hier nicht um Konzerte, wie sie schon vorher erwähnt wurden, sondern um die bewußte Vorführung von Musik zu pädagogischen Zwecken. Das ist ein Gebiet, das heute erst in vereinzelten Ansätzen erkennbar wird. Wenn ich hier versuche, Grenzen abzustecken, so umspannen diese Grenzen über die sichtbaren Anfänge hinaus ein Stück Zukunft. Innerhalb einer solchen praktischen Musikpädagogik lösen sich einzelne Typen heraus.


Einen ersten Typus möchte ich als pädagogisches Konzert bezeichnen. Er ist in der Praxis meines Wissens noch nicht versucht, könnte aber gerade für den Rundfunk außerordentlich bedeutungsvoll werden. Der Ausübende ist in diesem Fall der Künstler. Aber er spielt nicht unter der Perspektive eines Konzerts, überhaupt nicht, um sich selbst zu zeigen, sondern lediglich, um den Hörern einen ganz bestimmten Stoff nahezubringen. Dieser Stoff ist nicht von der Perspektive des Darstellers, sondern vom Standpunkt des Hörers aus gewählt. Das Thema heißt zum Beispiel: “Neue Hausmusik”. Ein Pianist stellt in mehreren Stunden die Kinderstücke von Casella, die Klavierstücke für Anfänger von Bartok, die Stücke “Sur les cinq doigts” von Strawinsky und eine Auswahl der leichten Klavierstücke aus den Sammelheften der Verlage Schott und Universal Edition zusammen. Die Vorführung verbindet sich vielleicht mit kurzen charakterisierenden Angaben über Schwierigkeit, Darstellung, Dynamik usw. Wesentliche Stücke werden mehrere Male gezeigt. Das Thema kann auch zum Beispiel unter dem Titel “Neuzeitliche, leichte Unterrichtsliteratur” angekündigt werden. Die Klavierlehrerinnen werden aufhorchen. Sie werden erkennen, daß der Rundfunk nicht ihr Feind ist, der ihnen die Schüler fortnimmt und das Interesse von der eigenen Musikübung ablenkt, sondern daß er ihnen Anregungen geben und ihrer eigenen Weiterentwicklung zur Quelle werden kann. Der Musiklehrer, selbst noch in alter, fester Tradition aufgewachsen, wird angeregt, fühlt sich vielleicht sogar moralisch gezwungen, sich einmal den Noten gegenüberzustellen und Stellung zu nehmen. Auch hier darf es sich natürlich nicht um einen vereinzelten Versuch handeln, sondern um einen planmäßigen Zusammenhang, auch wenn dieser nach außen hin gar nicht sichtbar wird.


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