- 246 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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II


Wir bleiben zunächst noch bei den allgemeinen Erscheinungen des Rundfunks, ehe wir uns seinen speziellen musikpädagogischen Problemen zuwenden. Dabei fällt die ganz andere Bedeutung des gesprochenen Wortes in Verbindung mit der Rundfunkmusik auf. Die Musik im Rundfunk bedarf auch des Wortes, um die fehlende Unmittelbarkeit ihrer Erscheinung zu ersetzen. Das gesprochene Wort beginnt ganz äußerlich mit der Ansage und wächst schließlich bis zu einer kritischen und pädagogischen Einführung. Die Stufungen zwischen diesen beiden Endpunkten sind fließend, die Formen außerordentlich variabel. Die Keimzelle einer musikpädagogischen Tendenz ist, so paradox dies klingen mag, eigentlich bereits der Ansager. Steigert er sich zum Conferencier, so begnügt er sich nicht mit einer trockenen Angabe programmatischer Details, sondern es fallen auch einige Worte über die aufgeführten Werke selbst. Der Wert und die pädagogische Bedeutung solcher wenigen Worte sind nicht zu unterschätzen. Sie können, wenn sie geschickt und eindrucksvoll formuliert werden, stärker wirken als manche langen Einführungen, die an dem Hörer vorübergehen.


Bei Opernübertragungen und Sendespielen wird die Einführung zur Regel, denn es muß ein Ersatz für das geschaffen werden, was das Auge sucht. Auch hier wird sich eine Einführung von einigem Niveau nicht mit der bloßen Wiedergabe der Handlung begnügen, sondern auch auf den Komponisten und die Musik hinweisen. So entsteht eine Einflußnahme in musikpädagogischem Sinne. Sie wird unter soziologischer Perspektive nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig erscheinen. Denn unter den Tausenden, welche die Aufführung eines solchen Sendespiels miterleben, ist ein großer Prozentsatz nicht gewohnheitsmäßiger Opernbesucher.


Die soziologische Perspektive setzt dieser Art indirekter Musikpädagogik gleichzeitig auch ihre natürliche Grenze. Ein großer Teil der Hörer wird jede pädagogische Beeinflussung in dem Augenblick ablehnen, wo sie spürbar wird und als Selbstzweck in die Erscheinung tritt. Musikpädagogik fällt auch hier mit Musikpolitik zusammen Sie hat einen breitesten, fruchtbarsten Aufgabenkreis vor sich, muß aber behutsam, stets sich selbst verbergend, zu Werke gehen. Dafür gelangt sie an Menschenkreise, welche jeder speziellen und systematischen


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