- 24 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Cassirer: Form und Technik


der Technik läßt sich selbst nicht anders als in der Tätigkeit erfassen und darstellen. Es tritt nur in ihrer Funktion hervor; es besteht nicht in dem, als was sie nach außen hin erscheint und als was sie sich nach außen gibt, sondern in der Art und Richtung der Äußerung selbst: in dem Gestaltungsdrang und Gestaltungsprozeß, von dem diese Äußerung Kunde gibt. So kann das Sein hier nicht anders als im Werden, das Werk nicht anders als in der Energie sichtbar werden. Aber eben diese Schwierigkeit ist es, die der weiteren Betrachtung den Weg weist und den Weg bahnt. Denn eben in ihr wird die Verwandtschaft und die innere Beziehung deutlich, die zwischen der Technik und den anderen Grundmächten des Geistes, so fern sie ihr inhaltlich stehen mögen, in rein formaler und prinzipieller Hinsicht besteht. Von all diesen Mächten gilt im Grunde das, was Humboldt von der Sprache gesagt und von ihr erwiesen hat: daß die echte Begriffsbestimmung, die einzig wahrhafte “Definition”, die sich von ihnen geben läßt, keine andere als eine genetische sein könne. Sie können und dürfen nicht als ein “totes Erzeugtes”, sondern sie müssen als eine Weise und Grundrichtung des Erzeugens verstanden werden. In dieser gedanklichen Tendenz soll hier nach dem Wesen der Technik gefragt werden. Goethe sagt, daß der Mensch, wo er bedeutend auftrete, immer zugleich gesetzgebend auftrete. Es gehört zu der wesentlichen Aufgabe der Philosophie, in diese menschliche Gesetzgebung einzudringen; ihre Einheit und ihre inneren Unterschiede, ihre Universalität und ihre Besonderung zu ermessen und zu durchschauen. Aus solcher umfassenden Bestrebung läßt sich erst ein sicherer Standort für die Beurteilung des Einzelnen gewinnen — läßt sich die Bestimmung einer Norm erhoffen, die über alle bloß subjektiven Äußerungen von Lob und Tadel, von Gefallen und Mißfallen erhaben ist und statt dessen die eigentlich-objektive “Form” des betrachteten Gegenstandes in ihrer Natur und in ihrer Notwendigkeit ergreift.


II


In einem Vortrag über “Poesie und Technik” geht Max Eyth, der zu den eifrigsten und beredtesten Vorkämpfern für das geistige Eigenrecht der Technik gehört, von der Verwandtschaft aus, die sich zwischen der Funktion der Technik und der Funktion der Sprache erkennen und durchführen läßt. “Was den Menschen in seinem Wesen,


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