- 215 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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das starre System bestehen bleiben und die Verbesserung sich lediglich auf die Zweckmäßigkeit und Schnelligkeit des Technischen beschränken, insofern also die erwähnten Rückständigkeiten im Umbau, in der Behandlung des Bühnenbodens usw. beseitigt werden? Oder aber soll die Guckkastenbühne überhaupt erledigt und eine völlig neue Form des Theater- und Bühnenbaues angestrebt werden?


Entweder — oder. Die Stile müssen auseinandergehalten werden. Es ist falsch, in die bestehende Form Dinge hineinzuexperimentieren, die nicht hinein gehören. Die Technik kann auflockern oder verdicken, sie kann die Starrheit der Bühne auflösen oder sie noch besonders betonen. Werden die Gesetze unserer heutigen Bühne richtig erkannt und zur Grundlage technischer Versuche genommen, so kann eine Auflockerung, eine Erleichterung der Bühne erfolgen. Wird aber ein Prinzip diktatorisch in den vorhandenen Rahmen gezwängt, so dominiert die Technik und verdrängt den Schauspieler. Sie verschiebt den Schwerpunkt auf ein Gebiet, das im Theater immer sekundär bleiben muß. Denn, wie gesagt, erst der Schauspieler, der Sänger, das Wort und die Geste schaffen den magischen Raum, der das Wesen des Theaters ist. Die erwähnten Verbesserungen, die von Fachleuten erdacht und durch weitere organische Versuche bestimmt noch ergänzt werden, sie sind möglich und notwendig. Falsch ist es, das Bewegungsmoment (filmisch oder motorisch) zum Prinzip einer Bühne zu machen, die dieses Prinzip nicht verträgt. Der Versuch einer völlig neuen Form des Theaters und des Bühnenbaues müßte bald gewagt werden, und zwar in Berlin. Erweisen sich hier praktische technische Formen, so werden einzelne reiche Großstädte folgen. Städte, die sich nur ein Theater leisten können, werden voraussichtlich für immer, wenn auch mit Abwandlungen im Innern, bei der bestehenden Form bleiben, einfach, weil sie für die Mehrzahl der Stücke nicht entbehrlich ist (insbesondere für alle reinen Konversationsstücke) und weil die neue Form nur dann wirtschaftlich werden kann, wenn sie ein Theater der Tausende ist, ein Theater mit billigen Preisen für einen Massenbesuch.


Theater und Technik: Das Thema ist schwer zu erschöpfen, schwer zu begrenzen. Wichtig erschien es mir vor allem, die Grundlagen und Möglichkeiten für unsere Zeit und für die Zukunft darzulegen und nicht in Einzelheiten rein technischer Versuche und Errungenschaften zu verfallen. Wichtig ist die Forderung von der Vorherrschaft des


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