- 214 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (213)Nächste Seite (215) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



einen unvereinbaren Gegensatz bilden, der als stilwidrig empfunden werden muß.


Folgendes bleibt vor allem zu beachten: Die heutige Guckkastenbühne ist eine starre Bühne. Sie ist gegen den Zuschauerraum durch ein festes Portal begrenzt, und das ist eine bewußte, eine beabsichtigte Begrenzung. Es ist daher falsch, diese Begrenzung aufzuheben, indem man etwa den Orchesterraum überbrückt oder aus seiner Tiefe Verbindungen auf die Bühne schafft. Hier ist ein Bruch. Die Darsteller müssen in den Raum steigen, der die Bühne bedeutet. Sie gebärden sich als Außenseiter, als Leute, die nicht dazugehören, als Bindeglied zum Publikum. Das ist falsch. Sie gehören in den Rahmen, sie sind erst dort Schauspieler. (Als reizvolle Spielerei bei einer Komödie oder einer Operette mag das gelegentlich hingehen, nicht aber bei der Oper und der Tragödie.) Anders liegt es schon, wenn der ganze Zuschauerraum einbezogen, rebelliert wird. Stimmen von der Galerie und aus dem Parkett. Die Einkreisung des Publikums. Hier sind Möglichkeiten, die aber auch eigentlich in die Arena und nicht in die Theater mit der Guckkastenbühne gehören.


Aber die Guckkastenbühne ist auch in sich starr. Gewiß hat sie Versenkungen, manchmal Dreh- oder Schiebe- oder Versenkbühnen, aber selbst wenn diese Verschiebungen und Rotationen eintreten, bleibt mindestens die Umrahmung starr. Und selbst wenn der Hintergrund filmisch bewegt wird, so sind Vordergrund und Seiten starr. Also das starre System bleibt auch dann bestehen, wenn Teile sich bewegen. Das Prinzip wird nicht völlig verdrängt. Es ist ein Prinzip der bestehenden Architektur, das sich nicht verleugnen läßt. Die wenigen großen Bühnen mit ihren technischen Vollkommenheiten können neben die Ruhe auch die Bewegung setzen. Aber es ist nicht (wie beim Film) die Bewegung als Grundprinzip, sondern die Bewegung als seltenes technisches Hilfsmittel, als Übergang, als Bindeglied. Im Film ist die Wand, auf die unsere Augen gerichtet werden, beweglich, im Theater ist sie unbeweglich, und beweglich ist nur der Mensch. Und dieser Gegensatz ist richtig, solange wir für diese Bühne keinen vollgültigen Ersatz haben.


Es erhebt sich also die Frage: Soll für alle Theater eine Bewegungsfähigkeit der Guckkastenbühne in allen ihren Teilen angestrebt werden, so daß also innerhalb des gegebenen Rahmens eine durchaus organische Bewegung geschehen kann, die Vordergrund und Hintergrund, Mitte und Seiten gleichmäßig erfaßt, oder soll für diese Bühne


Erste Seite (1) Vorherige Seite (213)Nächste Seite (215) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 214 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik