- 211 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ordnung und der Absonderung. Hier liegt der wesentliche Unterschied. Will man das Theater popularisieren, indem man (wie auch schon vorgeschlagen wurde) den Zuschauerraum in ein gemütliches Kabarett (mit Bier und Würstchen bzw. Champagner und Kaviar) verwandelt, dann freilich ist die vorhandene Form völlig ungeeignet. Will man weitergehen und die Sportpaläste zum Vorbild nehmen, dann müssen gleichfalls vollkommen neue Bühnenhäuser entstehen. Das würde eine Umwälzung bedeuten, die sich nicht auf die Architektur und die Technik beschränkt, die vielmehr auch die Dramatik und die Schauspielkunst erfassen würde. Hier käme es, wie gesagt, auf den Versuch an, einen Versuch, der auf Jahrzehnte hinaus isoliert bleiben müßte. (Das allein schon aus wirtschaftlichen Gründen.)


Die mechanischen Gebiete (Kino, Radio, mechanische Musik) vereinigen wohl am sinnfälligsten das Künstlerische und das Technische, aber die reine Künstlergestalt wird nicht in jedem Falle und nicht durchaus sichtbar, wie es im Theater, selbst in den niedrigeren, gleichgültigeren Gattungen bei guter Darstellung der Fall ist. Bei diesen mechanischen Gebieten ist das Künstlerische nicht durchaus vorherrschend, die Technik ist das Wunder, dem sich das Publikum hier in erster Linie zuwendet. Die künstlerischen Spitzenleistungen, besonders des Films, bleiben natürlich durchaus bestehen und sollen durch diese Einschränkung nicht berührt werden. Es sollte gesagt sein, daß im Theater nur in den seltensten Fällen das Technische so stark hervortritt, daß es die eigentliche Anziehungskraft für das Publikum bildet. Regie und Schauspieler werden auch im Film immer ihre Anziehungskraft haben, aber erst die Verbindung mit der phantastischen Farbigkeit, dem Wechsel, der Bewegung erzeugt die eigentliche Suggestion des Films. Der Tonfilm läßt sich im jetzigen Stadium noch kaum abschließend beurteilen, seine außerordentlichen Möglichkeiten sind schon an den wenigen vorhandenen wertvollen Beispielen zu erkennen. Eine Konkurrenz für das Theater besteht natürlich, solange diese Erscheinung neu und sobald sie zu hervorragenden Leistungen gelangt ist.


Werden die mechanischen Kunstgebiete das Theater verdrängen oder seine Wirksamkeit begrenzen? Das ist unbedingt zu verneinen. Der Film hat in seiner langen Entwicklung und bei seinen schnellen und großen Fortschritten das Theater nicht verdrängen können, und auch der Tonfilm wird daran nichts ändern. Er wird sogar, wenn er nicht seine eigenen dramatischen, darstellerischen und sprachlichen Gesetze


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