- 207 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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nicht die Parteipolitik. Wenn auch alles im Kessel des Parteiwesens untergegangen scheint, so gibt es doch noch Dinge, die sich herausheben, die jeden angehen, wenn er sich nichts vormacht.


Das Theater ist heute vorwiegend zivilisatorisch orientiert, und da kann es sich nicht wundern, daß es sich von der Gesamtheit, vom Volk, entfernt hat. Für Themen allgemeinen Interesses sind die Männer noch nicht gefunden, die persönliches Erlebnis, persönliche Erfahrung mit dramatischer Begabung und überzeugender Gesinnung verbinden. Ein Volksstück im besten Sinne des Wortes ist seit Jahren nicht mehr entstanden. Die Bildung hatte sich des Theaters bemächtigt und hatte das Volk in die Vorhöfe vertrieben. Die angeblich aktuelle und volkstümliche Beschäftigung mit Problemen der Justiz, des Erziehungswesens und dergleichen verdeutlicht nur den Abstand. Es sind Tagesfragen, es sind Tageserfolge, es sind nicht die Dinge eines ganzen Volkes. Selbst die Dreigroschenoper, das einzig positive Beispiel dieser Gattung, dürfte einmalig bleiben, um so mehr, als der Vorwurf übernommen wurde und nur mit außerordentlichem Gelingen verwandelt, angewandt und dichterisch-musikalisch subjektiviert wurde. Auch das ist typisch dafür, daß in letzter Zeit Stoffe des Volkes und der Nation nicht erfunden werden konnten.


Dieser Exkurs in das Gebiet des modernen Dramas sollte andeuten, wie weit schon im Stofflichen der Abstand zwischen damals und jetzt ist, wie die Grundlagen sich verschoben haben. Theater ist etwas anderes geworden, es hat sich in viele Teilgebiete verzweigt, es ist differenziert, ist Handwerk, es hat ein Heer von Menschen in sich aufgenommen, es braucht ein Publikum und sucht deshalb jede Klasse und jede Gattung des Publikums zu gewinnen.


Der Sport: Hier ist eine Brücke zum Altertum. Hier ist eine neue Gemeinsamkeit entstanden, die, ebenfalls in die Arena eingefangen, außen und innen Einheit wurde. Der Sport ist längst keine Modesache mehr, er ist eine Fortsetzung und zugleich eine Entspannung von der intensiven Arbeit des Tages, er ist eingeschlossen in die Bezirke des Lebens, er ist eingegangen in die Substanz des Menschen, er gehört zu ihm. Das Erlebnis einer sportlichen Veranstaltung ist gerade deswegen ein Erlebnis der Allgemeinheit, weil alle, die da Zuschauer sind, mitreden können, weil sie fast alle in einem Zweig des Sports tätig sind. Im griechischen Theater kannten die Zuschauer das Stoffliche durchaus und von Kind an. Sie hätten mitspielen können. Es gab


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