- 203 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Müller, der Mitarbeiter Piscators, denkt vielleicht am meisten technisch, Neher ist hervorragend durch seine atmosphärischen Wirkungen, und Reinking ist der Mann der strengen Architektur. Es führt hier zu weit, jeden der anderen zu charakterisieren. Festzustellen ist der formale und malerische Fortschritt dieser Jahre, die Struktur hat sich geklärt, und eine neue Art von malerischer Phantasie ist an die Stelle einer krampfhaften Dürre oder Dürftigkeit getreten. Die Versuche, berühmte Maler für die Bühne heranzuziehen, sind in den meisten Fällen nicht geglückt. Gerade die berühmtesten haben hier oft versagt, weil die reizvollsten Skizzen nicht praktisch und plastisch umgesetzt werden konnten.

An den Uranfängen des Theaters ist keine Technik beteiligt. Das Arena-Theater des griechischen Altertums und später die Mysterienbühne des Mittelalters (diese Bühne, die erst bis zu 9 Stockwerken aufwuchs und sich dann auf die feste Form von 3 Stockwerken reduzierte), das sind die ersten Bühnenformen, die sich einbürgerten und längere Zeit beibehalten wurden. Dort in Griechenland schafft die kultische Verbundenheit eines Volkes das Theater, und im Mittelalter ist es die Religion, die an die Stelle der Götter- und Heldenwelt die Welt des Christentums setzt, und dort wie hier entsteht die Grundlage einer Gemeinsamkeit aus dem vertrauten und bekannten Stoff. Erst als der Ausschluß aus den Kirchen erfolgte, erst als die englischen Komödianten losziehen und Stücke spielen, bildet sich das Schauspielertum als Stand, bildet sich der dramatische Schriftsteller, es entsteht etwas völlig Neues und Selbständiges, das sich absondert von der bisherigen volkhaften Gemeinsamkeit.


Vorher von Technik zu sprechen, ist kaum möglich. Was da geschah, was da gebaut und gebastelt wurde, das war ja nur ein Schema, für ein Symbol ersonnen, das blieb ohne Fortsetzung, das fand keinen Eingang in die Bühnen, die dann gebaut wurden. Erst das Zeitalter des Barock erfand für seine prächtigen Theaterbauten in erstaunlich kurzer Zeit beachtliche technische Möglichkeiten. Von da an ist Theater und Technik nicht mehr zu trennen, und die Begriffe Primitivität und Raffinement bleiben relativ, wenn man entwicklungsmäßig denken kann. Die Technik reicht dem Künstlerischen des Theaters zunächst nur die Werkzeuge, die Requisiten. Die Bögen, die Prospekte, die Versatzstücke sind der Anfang der Dekoration und bleiben, wie wir schon sahen, mit unwichtigen Abwandlungen Rahmen und Hintergrund


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