- 200 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Zeit und jedem Ort. In der “Othello”-Inszenierung konnte man kaum von Treppen sprechen, da war ein einfacher Podestbau mit wenigen Stufen, stark konzentriert und für jede Steigerung geeignet. Hier muß noch Fehlings Inszenierung von “Viel Lärm um nichts“ genannt werden. Welch einen niederländisch derben Taumel konnte er auf diesem gehobenen Rund entwickeln, das er mitten in die Bühne setzte, welche Möglichkeiten der Bewegung, der bacchantischen Raserei, und wie waren sie ausgenützt!


Wenn bei Tairoff das System von Stufen, Schrägen usw. das Tänzerische oder Akrobatische, kurzum das Bewegungsspiel, die Phantastik von Geste, Schritten und Sprüngen unterstützen, ja erst ermöglichen mußte, so war das Treppensystem bei Jeßner Grundlage für die aus der Bändigung und Sammlung der körperlichen Ausdrucksmittel entwickelte Steigerung. Dort also eine Art entfesselter Romantik, hier bei Jeßner die gestraffte, gebundene Form der Architektur und der Darstellung. Dort ein typisch russisches, hier ein typisch deutsches Moment. Jedes in seiner Art vortrefflich und fruchtbar. Vortrefflich die Erkenntnis der Auflösung des Bühnenbodens zur Entfesselung oder Sammlung des darstellerischen Körpers. Fruchtbar für die Entwicklung der Bühnenarchitektur wie für die körperliche Entwicklung des Schauspielers.


Diese Versuche haben, wie gesagt, die Wichtigkeit der Veränderung und der Beweglichkeit des Bühnenbodens bewiesen. Es muß jetzt, besonders für die älteren, also für die meisten Bühnen, eine Erfindung kommen, die es ermöglicht, den Bühnenboden auf maschinellem Wege zu verändern. Wenn hier ein Schema gefunden wird, das billig einzubauen ist, so würde die Not der Umbauten bei den meisten kleineren und mittleren Bühnen mit ihren langwierigen Handgriffen, mit dem Anbohren von Versatzstücken und dem Aufstellen von Podesten mit einem Schlage gelöst sein. Das technische Personal der Bühnen ließe sich verringern, wenn die menschliche Hand in erster Linie auf die Bedienung der Züge, Hebel und Griffe, also auf die Bedienung der Maschine beschränkt würde.


Das Auge des Zuschauers ist heute durch den Film für technische Unzulänglichkeiten des Theaters geschärft. Die Erfindung von Eisenbahn, Telephon, Telegraph, Auto, Flugzeug, Kino, Radio usw. ist der technischen Entwicklung des Theaters vorangeeilt, der Theaterbau hat sein Gesicht kaum wesentlich verändert, und die Technik der Bühne


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