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konnten. Denn weder der Begriff der “Vervielfältigung“ noch der der “Verbreitung“ oder der des “Vortrags”— diese drei Meinungen werden vertreten — paßt ganz auf den neuen Tatbestand. Die Rom-Konferenz zur Revision der B.Ü. vom 22.Juli 1928 schlug deshalb die Fassung “communication au public par la radio-diffusion” vor.


Zunächst war die Frage zu beantworten, wem das neue Werknutzungsrecht grundsätzlich zustehe — eine Frage, die bei einem in oben entwickeltem Sinne gestalteten Urheberrecht gar nicht hätte auftauchen dürfen und können. Von grundsätzlicher Bedeutung wurde da die Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen vom 16.Febr.1929, die auf folgende Ausführungen gegründet ist: “Wird ´das Urheberrecht´ übertragen, so geht auf den Erwerber im Zweifel nur die Befugnis über, das Werk in der vom Verfasser gewählten Form auszunutzen; und auch in dieser Form nur soweit, als nicht bestimmte Benutzungsarten gesetzlich dem Urheber vorbehalten sind. Selbst wenn das Urheberrecht ausdrücklich "unbeschränkt" überlassen wird, so darf dies nicht ausnahmslos so verstanden werden, als verbleibe nichts beim veräußernden Urheber, und der Erwerber habe mit dem Inbegriff erworbener Rechte auch alle unvorhersehbaren künftigen Ausnutzungsmöglichkeiten überkommen, welche das Gesamtbild der Verwertung völlig verändern, bei der Entgeltbemessung aber gar nicht in Betracht gezogen werden konnten. Der Urheber behält in jedem Fall ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht, das der Vertrag unberührt läßt, auch wenn der andere ,die unbeschränkten dinglichen Urheberrechte' und damit alle vermögensrechtlichen Bestandteile des urheberrechtlichen Befugniskreises erwirbt; ein Recht, das sich vornehmlich in der Abwehr gegen entstehende Veränderungen des Werkes zeigt. Dem persönlichkeitsrechtlichen Kerne wächst an, was etwa nach dem Vertragsabschlusse an vermögensrechtlichen Urheberbefugnissen durch gesetzliche Neuschöpfung in der Person des Veräußerers entsteht. Gleiches gilt von jenen ihrer Art und wirtschaftlichen Wirkung nach völlig neuen Möglichkeiten der Ausnutzung, die (wie der Rundfunk) keine bloße Weiterbildung oder Abspaltung bisheriger Verwertungsarten sind.“1) Diese Entscheidung ist von außerordentlicher Bedeutung, weil sie das Verhältnis von Technik und Recht, das Verhältnis der vermögensrechtlichen Befugnisse, die eine fortschreitende Technik

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1) Arch.f.Urh., Bd.2, S.228.


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