- 163 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte verstorbener Autoren die berufene Stelle.


Während die Enteignung des Vermögensrechts zum domaine d'Etat oder domaine public payant einen Übergangszustand nach dem Tode des Urhebers herstellt, greift die Zwangslizenz (“gesetzliche Lizenz” ist nur eine für den Urheber etwas überzuckerte Variante dieses Begriffs) schon bei seinen Lebzeiten ein: sie fordert Nutzung des Werkes durch jedermann gegen einen zu vereinbarenden bzw. staatlich festzusetzenden Tarif.


Auf diese, schärfere, Form der Enteignung scheint es die Industrie abgesehen zu haben, die aus der fortschreitenden Mechanisierung der Musik ihren Gewinn zieht. Die Zwangslizenz zugunsten der Schallplatte ist Gesetz geworden, die Zwangslizenz zugunsten des Tonfunks steht zur Erörterung: es ist die höchste Zeit, die schwerwiegenden Folgen, die mit der Verwirklichung dieser Maßnahme verbunden sein würden, zu erwägen.


Das Gesetz vom 19.Juni 1901, das heute noch gilt, übernahm leider die dargestellte, von der Wissenschaft vollkommen klar entwickelte Struktur des Urheberrechts nicht. Wenn es vom Urheberrecht redet, dann läßt es offen, ob das Persönlichkeitsrecht oder das Vermögensrecht gemeint sei: aus diesen Rechten sind aber, wie oben dargelegt wurde, die entgegengesetzten Folgerungen zu ziehen! Nach geltendem Recht ist also die Substanz des Urheberrechts, das Persönlichkeitsrecht, das persönliche Befugnisse, wie z.B. das Recht der Änderung, einbegreift, übertragbar und befristet! Der Verleger erwirbt das Recht der Änderung, und der ideelle Schutz des Werkes erlischt mit Ablauf einer Frist, die ihren Sinn nur in der Begrenzung materieller Verwertung des Werkes haben kann! Schlimmer ist, daß mit der Substanz des Urheberrechts, dem Persönlichkeitsrecht, natürlich die Vermögensrechte übergehen, für die inzwischen Marwitz 1) den treffenden Ausdruck “Werknutzungsrechte” geprägt hat. Wenn also die Gesetzgebung ein z.B. durch die fortschreitende Technik greifbar werdendes neues Werknutzungsrecht zögernd dem Urheber zusprach, dann war diese Regelung praktisch völlig bedeutungslos, weil der Verleger durch seine wirtschaftliche Überlegenheit dem Urheber längst das Persönlichkeitsrecht und mit ihm alle Möglichkeiten wirtschaftlicher

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1) Arch. f. Urheberrecht, Bd. I, S.4 und 389ff.


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