- 153 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Krenek: Der schaffende Musiker und die Technik der Gegenwart


Hand in verschiedener Disposition hergestellt ist. Unsere typisierte Einheitlichkeit ist aber kein Stil, sondern eine ökonomisch erzwungene Notwendigkeit, weil man es anders nicht mehr schaffen könnte. Ein Narr, wer sich noch einen Schreibtisch nach eigenem Gutdünken bauen läßt; bald wird er ihn im “Normal“zimmer nicht mehr unterbringen können, in das eben nur “Normal“möbel und Normalmenschen passen werden. Wo bleibt hier Raum für Musik, die unpraktischeste, individuellste und phantasievollste Kunst? Man bedenke noch, wie auf der andern Seite die Normalisierung der Geister von der Presse besorgt wird, die, ihrem Daseinsgesetz entsprechend, als Industrieunternehmen in erster Linie auf Umsatz bedacht sein und daher typische, von allen konsumierbare Gedanken verschleißen muß. Der Erfolg des täglich mehrmaligen Gebrauchs dieser Geistesnahrung auf beinahe jeden Menschen, der lesen und schreiben kann, ist gar nicht gewaltig genug anzuschlagen. Der schwächere Geist geht zugrunde, ohne es zu merken, und wieviel von seiner besten Kraft muß der stärkere vergeuden, um den Wirkungen dieses fürchterlichen Giftes bei sich und andern entgegenzuwirken!


Aus allem ist zu ersehen, daß die Begleiterscheinungen der technischen Weltherrschaft im geistigen Haushalt des Durchschnittsmenschen nicht danach angetan sind, den schaffenden Musiker sehr zu ermutigen, wenn er daran denkt, welche Stellung seine Kunst im Normalbewußtsein seiner Zeitgenossen einnimmt. Diese Dinge werden aber stets nur von untergeordneter Bedeutung für ihn sein, je mehr er sich einig wird mit sich selbst über die eigentlichen Ziele seiner Bestrebungen und über die wirkliche Natur seiner Aufgaben.


3. Die Technik wird zum Gegenstand künstlerischer Darstellung.

Das kann im Zusammenhang mit Musik natürlich nur in der Form der angewendeten Musik, also etwa in der Oper, stattfinden. Dazu ist an sich nicht viel zu sagen, da selbstverständlich a priori kein Material der Gestaltung durch künstlerische Mittel entzogen ist. Es kommt nur darauf an, in welchem Sinne die technischen Dinge in die künstlerische Gestalt einbezogen werden. Das Zentrum jeder Kunst ist nach wie vor der Mensch, und alles, was in ihr vorkommt, hat Sinn und Bedeutung durch seine Bezogenheit auf Menschliches. Darum wird das Technische ohne weiteres denkbar sein als Requisit und als Charakteristikum einer Atmosphäre. Auch im Pathos der Distanz, als Gegenpol des Humanen, wird es im höchsten Maße künstlerisch auswertbar sein. Unmöglich,


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