- 148 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Krenek: Der schaffende Musiker und die Technik der Gegenwart


wird durch bewundernde Kontrolle der maschinellen Funktion, was äußerst bedenklich ist. Im übrigen bringt auch die Klangapparatur des Tonfilms jenes neutrale Universalgeräusch aller Musikautomaten hervor, von dem allein die Welt erfüllt zu denken uns bereits lebensmüde machen könnte. Auch hier also wenig Anreiz zur aktiven Teilnahme für den Komponisten, um so mehr prinzipielle Bedenken aller Art.


2. Die Technik beeinflußt die ökonomische, soziale und geistige Situation der Zuhörer. Auch ohne auf die materialistische Geschichtsauffassung eingeschworen zu sein, wird man einen Zusammenhang zwischen diesen Belangen nicht bestreiten können, jedenfalls soweit es auf den Durchschnitt ankommt. Wenn man sich darüber klar ist, daß der Weg zur Kunst in jedem Fall ein individueller und nur vom Ausgangspunkt einer entsprechenden glücklichen Naturanlage aus beschreitbarer ist, so ist es einleuchtend, daß er von so beschaffenen Individuen zu jeder Zeit und unbeschadet jeder im übrigen wie immer gearteten politischen, sozialen oder ökonomischen Allgemein- oder Spezialkonstellation eingeschlagen werden kann. Dies vorausgeschickt, mag man nunmehr immerhin die durch die Technik in bezug auf den Durchschnitt geschaffene Lage betrachten, um zu sehen, inwieweit sie die geistigen Absichten eines schaffenden Musikers beeinflussen kann. Hier ist natürlich zum Unterschied von den bisherigen Betrachtungen auch das Gesamtgebiet der Technik in Betracht zu ziehen, nicht nur ihre Anwendungszweige hinsichtlich musikalischer Reproduktion.


Es handelt sich also zunächst darum, festzustellen, ob und wie die Technik das Publikum verändert hat. Unter Publikum verstehen wir die Gesamtheit aller jener einzelnen, die den Willen zur Entgegennahme spontan dargebotener Kunstwerke durch Erwerb von Noten oder durch Bezahlung von Entree an den Tag legen. In dieser Gesamtheit sind nun wirklich allerlei wichtige Veränderungen eingetreten. Durch das Aufhören der ständischen Gliederung der Gesellschaft haben die Privilegien bestimmter Schichten auf gewisse Erzeugnisse auch ein Ende genommen. Nach demokratischer Maxime soll keiner vor einem andern etwas voraus haben. Daher also auch die Forderung: Die Kunst dem Volke, die Kunst für alle. Dagegen wäre nun nichts einzuwenden, wenn dabei nicht übersehen würde, daß eine Beziehung zur Kunst nicht automatisch durch das Vorhandensein eines Menschen in einem Konzertsaal auf Grund verbilligten Kartenbezuges entsteht, sondern erst auf Grund einer geistigen Voraussetzung. Diese zu schaffen, ist


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