- 146 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (145)Nächste Seite (147) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Ernst Krenek: Der schaffende Musiker und die Technik der Gegenwart


anzugleichen und würde ihr das gelingen, so kann das Radio dem Komponisten vom Material her nichts bieten, was ihm nicht das Originalmaterial (Instrumente, Stimmen usw.) ohnedies bot, es sei denn, daß er die plötzlich entstandene Ubiquität seines Werkes irgendwie in die Konzeption einzubeziehen das Bedürfnis hätte, wiederum weil die Publizität sich verändert hat, was nach 2. gehört. Also kann auch hier der Anreiz für den Schöpfer nur in den als Eigenwerten betrachteten klanglichen Abweichungen der radiophonierten von der nicht gesendeten Musik liegen. Auf diese Art möchte etwas wie “funkgerechte“ Musik entstehen, wonach ja auch seit dem Bestand des Radios gesucht wird. Aber auch hier sind die Reize eigentlich mehr negativ, indem das Mikrophon, wie alle Musikapparate, die Eigenschaft hat, Klangfarben zu neutralisieren und in jenen charakteristischen gedämpften, etwas nasalen, monotonen und wirren Tonfall zu verwandeln, den alle diese Vorrichtungen an sich haben. Für diese dürftige Klangskala eigens etwas zu schreiben, wird wohl nicht einmal gelegentlich einen Anreiz zum Schaffen ausüben. Hier sind es tatsächlich die soziologischen Fragen, die die Erörterung einer “rundfunkeigenen“ Musik überhaupt erst diskutabel machen.


Ein drittes Anwendungsgebiet der Musik in Verbindung mit mechanischen Reproduktionsmitteln wäre der Tonlilm. Es soll hier nicht auf Grund der ersten völlig unzulänglichen Resultate eines neuen Tätigkeitszweiges über dessen Möglichkeiten abgeurteilt werden, obgleich die Skrupellosigkeit eines rein merkantil orientierten Unternehmertums nicht genug zurückgewiesen werden kann, das im Vertrauen auf die Wehrlosigkeit der Menschheit vor einer rücksichtslosen Reklame und auf deren Ausgehöhltheit durch das ihr systematisch angezüchtete Sensationsbedürfnis die Welt mit den jammervollsten Werkstattversuchen überschwemmt und den hinlänglich korrumpierten Geschmack weiter verdirbt. Sicher sind in dieser Hinsicht Verbesserungen möglich und werden auch mit der Zeit angebracht werden. Trotzdem sind hier gewisse prinzipielle Bedenken gegen den Tonfilm anzubringen, insbesondere soweit er mit Musik zu tun haben will. Hier sind, wie bekannt, zunächst zwei Möglichkeiten vorhanden: die des stummen Films mit synchronisierter Musik und die des gesungenen Films. Die erste Möglichkeit ist für den Komponisten von sehr geringem Interesse; die exakte Übereinstimmung von Bewegung und “auf sie“ komponierter Musik ist ein technisch-artistisches, aber kein künstlerisches


Erste Seite (1) Vorherige Seite (145)Nächste Seite (147) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 146 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik