- 144 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Krenek: Der schaffende Musiker und die Technik der Gegenwart


“in der Luft liegt“; der Erfinder der Sprechmaschine sowohl wie der, der sie gerade brauchen kann.) Handelt es sich nun bei den in die Musik eingeführten technischen Reproduktionsmethoden nur um eine rein arithmetische Multiplikation der Wiedergabeleistung, so sind sie für das Schaffen von Musik wohl kaum von irgendwelchem Belang, es sei denn, daß sie die Publizität durch Art und Quantität des Absatzes verändern, doch soll das erst unter 2. betrachtet werden. Hier handelt es sich darum, ob die technischen Reproduktionsmethoden dem Musiker als solche, rein aus dem musikalischen Material heraus, spezifisch neue Aufgaben stellen.


Von den Erzeugern technischer Reproduktionsmethoden wird zunächst immer der Hauptwert auf eine möglichst täuschende Nachahmung der nichtmechanischen Wiedergabe gelegt. Die Schallplatte soll die möglichst vollkommene Illusion erzeugen, “als ob“ Caruso wirklich sänge, das vollendete mechanische Klavier soll uns vortäuschen, als spielte der leibhaftige Paderewski in meinem Zimmer. Insofern gewährt natürlich das mechanische Instrument dem Komponisten gar keinen Anreiz, denn es bietet ja eben wirklich nichts weiter als die Fixierung und ins Unendliche reichende Wiederholbarkeit einer einmaligen, eventuell musterhaften Reproduktionsleistung. Trotz der Verbesserung der Methoden gelingt natürlich die Vortäuschung der lebendigen Wiedergabe, durch die sich der Artikel jeweils beim naiven Publikum erst einführen muß, auf die Dauer nicht, und man fängt an, die sogenannten Mängel der Apparatur, das heißt ihre Abweichungen von der Wirklichkeit, als Eigenwerte zu betrachten und zu benützen. Damit ist ein neues Material konstituiert, das bestimmte Eigentümlichkeiten aufweist, die bei keinem andern zu finden sind. Es wäre also denkbar, eigens für Grammophon oder mechanisches Klavier oder elektrische Orgel oder sonst ein mechanisches Instrument zu komponieren, und das geschieht ja bekanntlich auch gelegentlich. Daß es öfter als so geschehe oder gar zu einem umwälzenden Prinzip des Musikschreibens und -spielens werde, daran ist aus mehreren Gründen gar nicht zu denken. Einmal sind die kompositorischen Anreize des Materials viel zu gering. Es ist bei aller technischen Vervollkommnung klanglich sehr wenig differenziert, und die Tatsachen etwa des größeren Tonumfanges oder der beliebigen Geschwindigkeit oder gar der unendlichen Anzahl der Tonstufen (z.B. beim Theremin-Instrument, das allerdings von Hand bedient wird) können


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