- 143 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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der Welt beurteilt werden. Die nächstliegenden Konsequenzen dieser Gedankengänge sind genugsam bekannt: was in unbegrenzten Mengen verkauft werden soll, muß billig sein, was billig sein soll, muß in großen Massen (Serien) hergestellt werden, was so hergestellt wird, ist schlecht, und das steigert wieder den Umsatz. In welcher Weise diese Denk- und Vorstellungsweisen die Kunst und insbesondere das Verhalten des schaffenden Musikers zu affizieren imstande sind, das soll nunmehr untersucht werden. Von vornherein sei festgestellt, daß natürlich die allem Technischen zugrunde liegenden Erfindungen und Entdeckungen ebensosehr geistige und Phantasieleistungen sind wie die Taten der Kunst. Das allein bestimmt jedoch nicht das Verhältnis der beiden Tätigkeitsgebiete, dieses ergibt sich erst aus der oben angedeuteten Entwicklung, die das Technische genommen hat.


Drei Arten von Beziehungen sind nun zunächst zu konstatieren, die die Stellung des schaffenden Musikers zur Technik affizieren können:

1. die Technik bemächtigt sich der Reproduktion von Musik,

2. die Technik beeinflußt die ökonomische, soziale und geistige Situation der Zuhörer,

3. die Technik wird zum Gegenstand künstlerischer Darstellung.


Eine weitere denkbare Möglichkeit, nämlich die der technischen Rationalisierung des musikalischen Stoffes selbst, sei am Schluß gesondert betrachtet.


1. Die Technik bemächtigt sich der Reproduktionsmittel. Hier liegt der typische Eingriff der technisch-merkantilen Denkweise in ein ihr zunächst völlig entzogenes Gebiet vor, weshalb ich diese Beziehung zuerst behandeln will. Die Tatsache, daß das Spielen von Musik entweder mit dem Verkauf von Noten oder, wenn es öffentlich geschieht, mit der Einhebung von Entree, also mit Umsatz und Gewinnmöglichkeit verbunden ist, führt in der technisierten Welt zur Konsequenz der Industrialisierung dieses Erwerbszweiges. Sind einige Menschen Abnehmer von Musik, so liegt kein rationeller Grund vor, warum es nicht alle werden sollen, zum Wohle der Erzeuger. Dazu muß natürlich der Artikel erst in eine Serienware umgewandelt werden, von der sich rasch und billig beliebig viele Exemplare herstellen lassen. (Damit will ich nicht etwa behaupten, daß diese Gedankengänge historisch so stattgefunden und zur Erfindung des Phonographen geführt hätten. In Wirklichkeit ist immer alles gleichzeitig da, weil es, wie man sagt,


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