- 142 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Ernst Krenek: Der schaffende Musiker und die Technik der Gegenwart


oder Koch nichts anderes leistet als der treffliche Musikant — beider Werke entstehen zur Erhaltung und Bereicherung (zu der auch die Unterhaltung und die Vermehrung des Ansehens gehört) des Lebens ihres Herrn. In struktureller Beziehung dagegen haben Kunst und Technik in dieser Zeit überhaupt keine ernsthaften Schnittpunkte, denn die Erzeugung von Küchengeschirr und Kirchenkantaten ist individuell und unabhängig voneinander.


Die psychologischen Voraussetzungen dieses Verhältnisses ändern sich mit dem Heraufkommen der bürgerlich-rationalistischen Weltansicht, sehr allmählich seit Humanismus und Reformation. Der vollkommen neue Gedanke, daß Arbeit nicht schände, sondern adle, stärkt zunächst das Selbstbewußtsein der Künstler, die nun Anspruch auf die Achtung erheben, die jeder Arbeit zuteil werden soll. Später werden sie es unter Umständen bereuen, weil man ihnen auferlegen wird, zu beweisen, daß sie wirklich arbeiten, und schließlich werden sie es sogar tun müssen, indem der Fluch “Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen“ zu schrecklicher Wahrheit wird. Dies nur nebenbei; jedenfalls soll hier dargelegt sein, daß die Kunst nach dem Zusammenbruch des Feudalismus ein neues Verhältnis zur Technik, das heißt zu den lebensichernden und -erhaltenden Tätigkeiten des Menschen suchen muß, da das frühere, das in einer zwanglosen und unverbindlichen Gleichstellung bestand, nicht mehr möglich ist.


Die praktische und weitaus wichtigere Veränderung, die erst überhaupt die Beziehung von Kunst und Technik zum Problem macht, besteht in der Industrialisierung des technischen Wesens. Darunter verstehe ich hier die praktisch auf die Herstellung einer unendlichen Quantität von Waren abzielende Tendenz der Produktion, ohne Rücksicht auf einen irgendwie feststellbaren Bedarf, zu der die Dienstbarmachung der Naturkräfte im 19.Jahrhundert die Möglichkeit bietet. Da am gedanklichen Ende dieser Bewegung die Erfassung alles menschlichen Tuns und Bedürfens durch die mühelos und theoretisch von selbst arbeitende Maschine steht — ein anderes Ende kann bei dem unaufhaltsamen Wachsen des irdischen Elends gar nicht gedacht werden, indem wenigstens fiktiv nur äußerste Konsequenz Rettung bieten kann —, so kommt auch irgendeinmal die Kunst an die Reihe der Technisierung, und das ist jetzt der Fall. Die Kunst wird nunmehr in den Bereich jener Denkweise gezogen, in der Absatz und Verkaufsmöglichkeit die primären Kriterien sind, nach denen die Erscheinungen


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