- 132 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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gelungen ist, mit diesen Instrumenten den Beweis zu erbringen, daß es eine Farb-Ton-Kunst geben kann, scheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Farbe in den Werken der Musik des 19. Jahrhunderts, ungeachtet einer besonderen Farb-Ton-Skala, eine große Rolle gespielt hat. Den Höhepunkt dieses “Farb-Ton-Stiles“ in der Musik stellt der Impressionismus in der Musik dar, der in der Tat eine reine Farbenkunst ist. Alle immanent vorhandenen Beziehungen zwischen Farbwelt und Klangwelt sind in den musikalischen Werken dieser Stilepoche ausgenutzt worden. Die theoretischen und technischen Überlegungen von Newton-Castel bis zur Gegenwart haben diesen praktischen Farb-Ton-Stil eingeleitet oder begleitet.


Wir sind heute von der Sehnsucht nach einem Gesamtkunstwerk, nach einer Verschmelzung der Phänomene etwas abgekommen. Immerhin ist es möglich, daß gerade durch den Tonfilm auch das Problem Farbe—Ton neue Anregungen und neue Einrichtungen empfangen wird. Wir haben allen Grund, dem Erfinder des Farbenklaviers, dem Franzosen Castel, unsere Bewunderung zu zollen. Dieses Beispiel lehrt uns, wie die Kunst, wie vor allem Kunst und Technik abhängig sind von den Erkenntnissen der Wissenschaften, wie die Kunst nur ein, wenn auch reineres, höheres Spiegelbild der allgemeinen Geisteshaltung der Zeit ist. Die Anschauung der Weltzusammenhänge, die der Wissenschaftler erforscht, reizt auch den Künstler zu einer neuen technischen Organisierung der Kunst. Das sahen wir in der Entwicklung unseres optisch-akustischen Weltbildes; das werden wir weiter sehen in dem noch großartigeren Wandel des Weltbildes, den die Menschheit durch den Wandel des Raumerlebnisses erfahren hat.


IV


Schon früh hat der Mensch versucht, die Klänge des Raumes einzuordnen in seine Vorstellungswelt. Die natürlichen Klangerscheinungen, das Rauschen des Waldes und des Meeres, sind dem Menschen bald Anlässe zu künstlerischen Nachahmungsversuchen geworden. Aber auch die “übernatürlichen” Klangerlebnisse haben die Phantasie und die Vorstellung des Menschen seit je beschäftigt. Donner und Blitz. Klang- und Lichtgeschehnisse des Raumes wurden als unheimliche, mystische Zeichen einer Gottheit verehrt und gefürchtet. In der


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