- 130 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (129)Nächste Seite (131) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



“gesehen und bewundert” hat. Telemann ist von der Erfindung so begeistert gewesen, daß er sich entschloß, für das Farbenklavier in Deutschland einzutreten; er gab 1734 folgende Schrift heraus: “Beschreibung der Augenorgel oder des Augenclavicimbels, so der berühmte Mathematicus und Jesuit zu Paris Herr Pater Castel, erfunden und ins Werk gerichtet hat; aus einem französischen Briefe übersetzet von Georg Philipp Telemann, Hamburg gedruckt mit Piscators Schriften 1734.” Ein Exemplar dieser Schrift konnte ich leider nicht ausfindig machen. Ich muß mich deshalb auf das beschränken, was der bereits oft erwähnte Mizler in seiner Musikalischen Bibliothek über das Farbenklavier schreibt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch die Erfindung von Castel direkt auf der Farbenlehre von Newton basiert. Wir haben hier ein frühes Beispiel, wie die Naturwissenschaft ihre Erkenntnisse auf dem Wege über die Technik auf die Kunst überträgt. Mizler, der sicherlich durch die Nachrichten, die er  über das Farbenklavier durch Telemann empfing, angeregt wurde, die Farben für seine Maschine, die er bei seiner Generalbaßlehre verwendete, als Anschauungsmittel auszuwerten 1), schreibt bei der Besprechung des Farbenklaviers einiges über den damaligen Zustand der Farbtonwissenschaft. Er bemerkt, daß alle sich darüber einig seien, daß die Farben mit Tönen korrespondieren. Nur welche Farbe dem einzelnen Ton entspreche, darüber sei man noch verschiedener Ansicht (wir dürfen in Parenthese hinzufügen: wie auch heute noch immer!). Castel gibt blau als Grundfarbe an und “vergleicht solche also mit der Oktave”. Mizler dagegen hielt rot für die Grundfarbe. Auf seiner Generalbaßmaschine benutzte er folgende Farbenskala: “roth, orange, gelb, grün, blau, indigo, violet, roth”. 12 Jahre vor Mizler war Castel zu folgendem Farbe und Ton umfassendem Grundschema gekommen:


Töne     Farben

Stammton c     Stammfarbe blau

Dreiklang c e g     blau-gelb-roth

5 tonische Saiten c d e g a     5 tonische Farben:  blau, grün,  gelb, roth, violet

2 halbtonische Saiten f  h     2 zweydeutige Farben: Aurore-Violant 2)

__________

1) Vgl. S. 129.

2) Mizler fügt hinzu, Newton nannte sie Orange Indigo.


Erste Seite (1) Vorherige Seite (129)Nächste Seite (131) Letzte Seite (464)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 130 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik