- 4 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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werden im folgenden jedoch berücksichtigt. Bei Jugendorchestern, die keiner Musikausbildungsstätte angehören, sind die Grenzen zum Laienorchester und -wenn am Ort vorhanden- zu Musikhochschulorchestern fließend.9
9 Z.B. das ›Essener Jugendorchester‹: Als eines der ersten seines Genres 1953 von einem Schulmusiker gegründet, aber als städtisches Angebot konzipiert, arbeitet es seit jeher mit engem Kontakt zu Studierenden der Folkwang-Musikhochschule Essen.
Auch die Abgrenzung dieser Altersgruppe wird in der Praxis äußerst großzügig interpretiert. Man begegnet der Öffnung zu Schülern der Sekundarstufe I ebenso wie zumindest musikalisch ›junggebliebenen‹ älteren Semestern, die deutlich über der vom Deutschen Musikrat für den Orchesterwettbewerb festgesetzten Altersgrenze von 26 Jahren für Jugendorchester10
10 Ausschreibungsprospekt zum 4. Deutschen Orchesterwettbewerb Mai 1996 in Gera, hrsg. vom DEUTSCHEN MUSIKRAT, Geschäftsstelle Deutscher Orchesterwettbewerb, S. 6.
liegen. Sind kontinuierliche Arbeit, ein geringer bis gar nicht vorhandener Anteil an Musikstudenten und keine kommerzielle Absicht erkennbar, zählen die Jugendorchester durchaus zur Gruppe der Laienorchester. Oft charakterisiert sie dann nur ein geringeres Durchschnittsalter. Jugendorchester, die den eindeutigen Charakter überregionaler Auswahlorchester haben, wie alle Landesjugendorchester und das Bundesjugendorchester, sollen bei den folgenden Betrachtungen nicht berücksichtigt werden. Ihnen gehören erfahrungsgemäß überdurchschnittlich viele Musikstudenten oder Schüler im Stadium einer vorberuflichen musikalischen Fachausbildung an. Die Arbeit in Probenphasen und die beträchtliche finanzielle und konzeptionelle Förderung durch den Deutschen Musikrat schaffen hier Arbeitsbedingungen, die für ein Laienorchester untypisch sind. Die Zielgruppe der vorliegenden Studie umfaßt somit die 600 Laienorchester, die der ›Bund Deutscher Liebhaberorchester‹ (BDLO) und die ›Arbeitsgemeinschaft Jugendorchester (AGJO) der Jeunesses Musicales Deutschland‹ im MUSIK-ALMANACH11
11 MUSIK-ALMANACH 1999/2000, S. 37.
nennen, hinzu käme theoretisch noch eine stattliche Zahl von Ensembles, verteilt über die ganze Bundesrepublik, die aber derzeit nicht institutionell oder kulturpolitisch erfaßt sind.

Angesichts der von Psychologie und Pädagogik in empirischen und theoretischen Forschungen erkannten Vielfältigkeit von ›Lernen‹ kann jede Form von Laienorchesterarbeit als Lernprozeß gelten. Die für die Lernpsychologie grundlegende Formulierung, Lernen sei ein Prozeß, »der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut«, der zwar nicht in seinem direkten Vollzug sichtbar werde, aber »aus den Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens erschlossen werden« könne,12

12 ZIMBARDO, S. 227 und 265f.; SKOWRONEK, S. 183.
läßt sich auf die Laienorchesterarbeit konkret anwenden: In jedem Laienorchester haben sich interessierte Instrumentalisten zusammengefunden, die sich zielgerichtet mit Orchesterliteratur beschäftigen und in dieser Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Gegenstand einem individuellen und gleichzeitig gruppendynamischen Entwicklungsprozeß unterliegen. Jede einzelne Probe, jede Probenphase vom ersten Durchspielen bis hin zur Aufführung besteht aus den verschiedensten Veränderungen des musikalischen Ergebnisses. Der Erfahrungsschatz aller Beteiligten hat sich am Ende der Probenphase vergrößert. Jeder Einzelne hat neue Erkenntnisse gewonnen und motorische Fertigkeiten geübt, er hat ›dazugelernt‹. Die menschliche Fähigkeit, gelerntes Verhalten im Gedächtnis zu speichern, ermöglicht eine Verhaltensänderung durch Kompetenzen auf der

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