- 164 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (163)Nächste Seite (165) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

detaillierte inhaltliche und organisatorische Abstimmung und didaktische Strukturierung der Makrodidaktik, d.h. des gesamten (dann schul- und erwachsenenpädagogischen) Konzepts mit klar geregelten Verantwortlichkeiten.

Einer makrosoziologischen oder makrodidaktischen Einflußnahme soeben geschilderten Zuschnitts kann sich ein privat organisiertes Laienorchester durchaus entziehen. Hier finden alle entscheidenden Prozesse auf der Interaktionsebene zwischen Dirigent und Orchester statt. Dabei kann Sachorientierung durchaus im Teilnehmerinteresse sein (z.B. das gründliche Erarbeiten der ausgewählten Literatur bis hin zu professionellem Aufführungsanspruch). Abgekoppelt von Korrektiva oder einer Horizonterweiterung durch Kontakte zu gleichgearteten Ensembles, einem Dachverband, einer pädagogischen Bildungs- oder Ausbildungsinstitution, besteht hier aber die Gefahr reduzierter oder stagnierender Orchesterarbeit in besonderem Maße. TIETGENS weist im Rahmen seiner Reflexion der Programmplanung in der allgemeinen Erwachsenenbildung darauf hin, daß »der konkretistische Erwartungshorizont der Teilnehmer die Wirkungsmöglichkeiten [von Planungsintentionen] ebenso einschränkt, wie der Eigenwille der Mitarbeiter.«25

25 TIETGENS 1991, S. 137.

Diese Befürchtung wird eindeutig durch die Repertoireanalyse (Kap. 4.1) bestätigt. Die pädagogische Binsenweisheit, Lernende können einen Gegenstand nicht als erschließungswürdig benennen, der Lehrer ihn nicht vermitteln, wenn er ihnen unbekannt ist, trifft auf die Fülle der vorhandenen Orchesterliteratur zu, die aber nicht durch laienorchesterspezifische Informationen aufbereitetet und entsprechend verfügbar gemacht ist. So gehen einerseits die Erwartungen der Teilnehmer von dem Vorstellungshorizont aus, der durch ihre musikalische Vorerfahrung und ihre biographische Sozialisation geprägt wurde. Andererseits reizt es jeden Dirigenten, sich eigenverantwortlich an das Schwierigere, an die ›großen Sinfonien‹ der ›großen Meister‹ (z.B. Spätwerke Mozarts und Haydns, romantische Literatur) zu wagen. Überdeckt dieser Ehrgeiz und ›Eigenwille‹ des Dirigenten die Ausführbereitschaft und -fähigkeit des Orchesters, kommt es zu den auch in der Fallstudie (Kap. 5.3.4) wiederholt beklagten Konfliktsituationen zwischen Orchester und Dirigent. Die Beziehung ›Lehrender – Lernender‹ ist in der Diskussion der musikalischen Erwachsenenbildung wiederholt als Problemfeld angesprochen worden, im konkreten Bezug auf Laienorchester aber bisher allein von HILBERT26

26 HILBERT 1989a in HOLTMEYER 1989a, S. 261ff.
erörtert worden. Er leitet aus dieser Problematik die Notwendigkeit einer fünfstufigen Vorbereitung des Dirigenten auf eine Probenphase ab:
  • Orientierungsphase – Sondierung der Ausgangslage für eine gezielte Laienorchesterarbeit durch Informationen über Adressaten, ggf. Institution, örtliche Gegebenheiten, soziales Umfeld, eigene Qualifikationsanforderungen.
  • Verhandlungsphase – Definition des Adressatenkreises, Verhandlungen über die organisatorischen Rahmenbedingungen mit dem Träger (Vereinsvorstand, Institution).
  • Ausschreibungsphase – Einladung zur Teilnahme durch Veranstaltungsprogramme oder individuelle Ansprachen (›Marktmodell‹ und ›Interventionsmodell‹).27
    27 SCHäFFTER, Veranstaltungsvorbereitung in der Erwachsenenbildung, Bad Heilbrunn/Obb. 1984, S. 164.

Erste Seite (i) Vorherige Seite (163)Nächste Seite (165) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 164 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit