Einem programmatischen Schriftstück wurde für
das Selbstverständnis des Verbandes in der Folgezeit keine Bedeutung mehr
beigemessen.147
Deutlich erkennbar wurde fortan die Akzeptanz des öffentlichen Konzertes
am Ende einer Arbeitsphase, was lange Jahre vehement abgelehnt worden
war.148
148 »Ziel des Liebhaberorchesters ist nicht das Konzert, [. . .] denn jede Liebhabertätigkeit
hat irgendwo ihre Grenzen, wo sie nicht mehr verbessert werden kann [. . .] Es wird heute
viel zu sehr bei den Liebhaberkonzerten auch programmäßig den Berufsorchestern
nachgeeifert.« (MIES, in DLO 1954, Heft 4, S. 58.) »Eine Bundestagung ist nur eine Seite
unseres Wirkens. Die andere wird sichtbar in den Konzerten der Orchester in ihren
Gemeinden. Welche Fülle kultureller Bereicherung hier geschieht, davon gibt nur einen
kleinen Ausschnitt die Rubrik ›Veranstaltungen und Programme‹ wieder.« (SCHÄFER, in
DLO 1967, Heft 3, S. 3.)
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Auch wenn der Streit über das Verhältnis von musikalischer und spieltechnischer Qualität
sowie von öffentlichem Präsentations- und Geltungsanspruch unvermindert bis heute
anhält, wurde der Aspekt der Ergänzung des professionellen Konzertangebotes in
städtischen Randgebieten und ländlichen Gegenden seit den 1970er Jahren ideell betont.
Doch dies führte zu ambivalenten Berührungspunkten mit den Berufsorchestern.
Einerseits erkannte man den ihnen zustehenden Konzertrahmen an und verwies die
Laienorchester auf Nischen und Auftrittsmöglichkeiten mit eingeschränkter Öffentlichkeit
(Schulen, Altersheime, Krankenhäuser, Kirchengemeinden). Seit Ende der 1950er Jahre
wurden nach den ersten Jahren der Konsolidierung als ›spezifischen Aufgaben der
Laienorchester‹ formuliert: Zum organischen Leben des Liebhaberorchesters gehören
außer dem üblichen Konzertleben
- Mitwirkung bei Festakten, z.B. Einführung von Amtspersonen
- Mitwirkung bei Richtfesten und Gründungsfeiern
- Besuch von Krankenhäusern und Altersheimen
- Heranziehung zu Jugend- und Schulkonzerten149
149 OBERBORBECK, in DLO 1956, Heft 3, S. 39.
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Zum anderen entwickelte sich auch hier ein Konzertwesen, das sich – wie in der 2.
Hälfte des 19. Jahrhunderts – dem konkurrierenden Vergleich nicht entziehen
konnte. Wiederum war man zudem auf die Hilfsbereitschaft von Berufsmusikern
angewiesen, was innerhalb des Verbandes immer wieder zu Kontroversen geführt
hat.150
150 Ohne Berufsmusiker als Aushilfen komme man nicht aus, sie dürften aber nicht
überhand nehmen, Konzerte seien somit nur dann zu begrüßen, wenn die Leistung der
›Laien‹ deutlich werde und nicht die der Aushilfen, so führte HERMANN THIEL aus,
Apotheker und offensichtlich leidenschaftlicher Instrumentalist auf den Positionen
Fagott, Flöte oder Cello, in DLO 1957, Heft 1, S. 7 und DLO 1981, Heft 1,
S. 23).
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Die Bundestagungen veränderten ab 1973 ihr Gesicht. Nicht mehr als gegenseitiges
›Vor-Konzertieren‹ komplett angereister Orchester konzipiert, sondern als
Kommunikationsforum und Arbeitstagung gedacht, die sich an Orchestergruppen oder
Einzelspieler wandten, um vor Ort die Entwicklung einer Probenphase eines
ad-hoc-Orchesters öffentlich zugänglich zu machen, erhielten sie einen neuen
Impuls.151
151 Die entscheidenden Schwierigkeiten nämlich lagen de facto in dem geringen gegenseitigen
Interesse, dem (für manchen finanziell oder terminlich bestimmten) Problem, mit einer
vollständigen Orchesterbesetzung anreisen zu können, waren allerdings auch durch eine
sich nun durch individuelle Ensemblefindung verselbständigenden Eigeninitiative
begründet.
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Die Bundestagungen seien, so SCHÄFER, »als künstlerische Veranstaltungen
einfach im öffentlichen Interesse notwendig«. Auf die Frage, inwieweit das
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