- 132 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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Einem programmatischen Schriftstück wurde für das Selbstverständnis des Verbandes in der Folgezeit keine Bedeutung mehr beigemessen.147
147 CONRADI, FB 2.
Deutlich erkennbar wurde fortan die Akzeptanz des öffentlichen Konzertes am Ende einer Arbeitsphase, was lange Jahre vehement abgelehnt worden war.148
148 »Ziel des Liebhaberorchesters ist nicht das Konzert, [. . .] denn jede Liebhabertätigkeit hat irgendwo ihre Grenzen, wo sie nicht mehr verbessert werden kann [. . .] Es wird heute viel zu sehr bei den Liebhaberkonzerten auch programmäßig den Berufsorchestern nachgeeifert.« (MIES, in DLO 1954, Heft 4, S. 58.) »Eine Bundestagung ist nur eine Seite unseres Wirkens. Die andere wird sichtbar in den Konzerten der Orchester in ihren Gemeinden. Welche Fülle kultureller Bereicherung hier geschieht, davon gibt nur einen kleinen Ausschnitt die Rubrik ›Veranstaltungen und Programme‹ wieder.« (SCHÄFER, in DLO 1967, Heft 3, S. 3.)
Auch wenn der Streit über das Verhältnis von musikalischer und spieltechnischer Qualität sowie von öffentlichem Präsentations- und Geltungsanspruch unvermindert bis heute anhält, wurde der Aspekt der Ergänzung des professionellen Konzertangebotes in städtischen Randgebieten und ländlichen Gegenden seit den 1970er Jahren ideell betont. Doch dies führte zu ambivalenten Berührungspunkten mit den Berufsorchestern. Einerseits erkannte man den ihnen zustehenden Konzertrahmen an und verwies die Laienorchester auf Nischen und Auftrittsmöglichkeiten mit eingeschränkter Öffentlichkeit (Schulen, Altersheime, Krankenhäuser, Kirchengemeinden). Seit Ende der 1950er Jahre wurden nach den ersten Jahren der Konsolidierung als ›spezifischen Aufgaben der Laienorchester‹ formuliert: Zum organischen Leben des Liebhaberorchesters gehören außer dem üblichen Konzertleben
  • Mitwirkung bei Festakten, z.B. Einführung von Amtspersonen
  • Mitwirkung bei Richtfesten und Gründungsfeiern
  • Besuch von Krankenhäusern und Altersheimen
  • Heranziehung zu Jugend- und Schulkonzerten149
    149 OBERBORBECK, in DLO 1956, Heft 3, S. 39.

Zum anderen entwickelte sich auch hier ein Konzertwesen, das sich – wie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts – dem konkurrierenden Vergleich nicht entziehen konnte. Wiederum war man zudem auf die Hilfsbereitschaft von Berufsmusikern angewiesen, was innerhalb des Verbandes immer wieder zu Kontroversen geführt hat.150

150 Ohne Berufsmusiker als Aushilfen komme man nicht aus, sie dürften aber nicht überhand nehmen, Konzerte seien somit nur dann zu begrüßen, wenn die Leistung der ›Laien‹ deutlich werde und nicht die der Aushilfen, so führte HERMANN THIEL aus, Apotheker und offensichtlich leidenschaftlicher Instrumentalist auf den Positionen Fagott, Flöte oder Cello, in DLO 1957, Heft 1, S. 7 und DLO 1981, Heft 1, S. 23).
Die Bundestagungen veränderten ab 1973 ihr Gesicht. Nicht mehr als gegenseitiges ›Vor-Konzertieren‹ komplett angereister Orchester konzipiert, sondern als Kommunikationsforum und Arbeitstagung gedacht, die sich an Orchestergruppen oder Einzelspieler wandten, um vor Ort die Entwicklung einer Probenphase eines ad-hoc-Orchesters öffentlich zugänglich zu machen, erhielten sie einen neuen Impuls.151
151 Die entscheidenden Schwierigkeiten nämlich lagen de facto in dem geringen gegenseitigen Interesse, dem (für manchen finanziell oder terminlich bestimmten) Problem, mit einer vollständigen Orchesterbesetzung anreisen zu können, waren allerdings auch durch eine sich nun durch individuelle Ensemblefindung verselbständigenden Eigeninitiative begründet.
Die Bundestagungen seien, so SCHÄFER, »als künstlerische Veranstaltungen einfach im öffentlichen Interesse notwendig«. Auf die Frage, inwieweit das

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