die Adornos Kritik in der
musikpädagogischen Fachwelt ausgelöst hatte, fanden im DLO keine Erwähnung und
schienen somit nicht wahrgenommen oder für die ›am musikalischen Kunstwerk‹
orientierten Laienorchester als nicht relevant angesehen worden zu sein. Dennoch
offenbart sich an dieser Stelle besonders deutlich, in welch engem thematischen Rahmen
sich der Verband repräsentierte. Vor allem der intellektuelle Anspruch, quasi als
Kompensation für mangelndes technisches Können aufgewertet, rückte stärker in den
Vordergrund und sprach erstmals die notwendige Urteilsbildung des einzelnen Spielers an.
Bildung wurde hier bewußt als individuelles Kriterium empfunden, was später unter den
Volksbildungs- und Erwachsenenbildungsgedanken klarer hervortreten sollte. Die
Verbandsleitung sprach dagegen, gemäß ihrem althergebrachten Selbstverständnis,
weiterhin lieber von ›Liebhaberorchestern kultureller Prägung‹, womit nach wie vor
ein intellektuelles Niveau gemeint war, das per se durch die Beschäftigung mit
klassischer Musik und durch das Spielen eines Orchesterinstrumentes auf der
Grundlage einer höheren Bildung und gesellschaftlicher Privilegierung gegeben
sei.139
139 »Schließlich weist ein Berufsorchester kaum je einen so hohen Grad an geistiger Bildung
auf wie ein gutes Liebhaberorchester.« (LEWINSKI, in DLO 1962, Heft 1/2,
S. 13).
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Auf der Bundestagung 1960 in Berlin stellte HERMANN ERPF die Frage:
»Haben Liebhaberorchester heute noch eine Berechtigung?« Mit einem
Grundsatzbekenntnis und flankierenden Diskussionen wurde die eindeutige Bejahung
unterstrichen.140
140 »Der Umfang des heutigen Laienmusizierens ist außerordentlich groß und scheint in den
letzten Jahren noch gewachsen zu sein. Entsprechende zusammenfassende Statistiken
liegen meines Wissens nicht vor, aber wir brauchen sie nicht, wir können die Verhältnisse
aus anderen Anzeichen erschließen.« Er nennt die Entwicklungen im Instrumentenbau,
bei den Musikverlagen, Vereinen und Verbänden. (ERPF, in DLO 1960, Heft 3,
S. 46.)
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Die unveränderte Verknüpfung von Werkwahl und dem Begriff der
›musikalischen Volksbildung‹, zuzüglich einer sozialen Komponente, erhielt
eine zentrale Bedeutung in der gesamt-ideologischen Konzeption des
Verbandes141
141 »in der Beschäftigung mit den Werken der Vergangenheit und der gleichzeitigen Pflege
der Musik unserer Tage, soweit sie technisch zugänglich ist, liegt die Aufgabe der tätigen
Musikliebhaber.« (ELVERS, in DLO 1962, Heft 3, S. 47.)
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ohne konkrete praxisbezogene Hilfestellung in die Vereine vor Ort hineinzutragen.
Einziges Verbindungsglied zwischen Verbandsleitung und Mitgliedsorchestern
war die Verbandszeitschrift. Rasch erweiterte sich das kulturbewahrende
Verantwortungsbewußtsein des Dachverbandes über die gespielten Werke
hinaus auf die Orchester selbst. Die Tradition der Orchestervereine wurde
zum ›kulturellen Erbe‹. Der BDLO entdeckte sein musikgeschichtliches
Interesse.142
142 »Anregungen von verschiedenen Seiten folgend wird gebeten, der Bundesgeschäftsstelle
zukünftig anstehende Orchesterjubiläen – in Betracht kommt 25-, 50-, 60-, 75-, 90-,
[100-] jähriges Bestehen – rechtzeitig mitzuteilen [. . .] Weitere Jubiläen werden
besonders geehrt. Erwünscht ist es, wenn zu diesen Gelegenheiten erschienene
Festschriften, Programme, Zeitungsartikel und sonstige Würdigungen ebenfalls der
Bundesgeschäftsstelle zugehen, damit allmählich ein Archiv aufgebaut werden kann, das
sich für die Erforschung lokaler und regionaler Musikgeschichte verwerten läßt, sofern
beim Bund die organisatorischen Voraussetzungen vorhanden sind.« (REDAKTION DLO
1972, Mitteilungen 4, S. 2.)
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Die Diskussion verlagerte sich vom Grundsätzlichen rasch auf inhaltliche Aspekte
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